: PER: Töpfer in der Bredouille
■ Krebsgefahr durch die Chemikalie Perchlorethylen in chemischen Reinigungen vom Bundesgesundheitsamt offiziell bestätigt / Grenzwert von vielen Reinigungen nicht einzuhalten
Berlin (ap/taz) - Für viele überraschend hat das Berliner Bundesgesundheitsamt im Streit um das umstrittene Lösemittel Perchlorethylen eindeutig Position bezogen und die Krebsgefahren auch beim Menschen bestätigt. Gestern warnte BGA–Sprecher Klaus–Jürgen Henning nochmals vor den Gefahren der Chemikalie durch ihren Einsatz in chemischen Reinigungen. Das BGA fordert nach einer Expertenanhörung, „die Belastung durch diesen Schadstoff aus Gründen der Vorsorge gegen Gesundheitsgefährdungen drastisch zu minimieren“. Henning sagte, die Behörde empfehle Grenzwerte von 0,1 Milligramm je Kilogramm Lebensmittel und die gleiche Menge je Kubikmeter Raumluft. Nach Ansicht des Bundesgesundheitsamtes sind schon bei Konzentrationen von mehr als fünf Milligramm pro Kubikmeter Raumluft Gesundheitsschäden zu befürchten. Henning zufolge sollten Lebensmittel mit mehr als ein Milligramm PER pro Kilogramm überhaupt nicht mehr verzehrt werden. Experten der Behörde überlegen offenbar, ob Reinigungen mit Selbstbedienung wegen der Gefährdung geschlossen werden sollten. Henning auf Anfrage: „Das Amt hält es für möglich, daß der weitere Betrieb von Münzreinigungen überdacht werden muß, da hier kein sachkundiges Perso nal für die Handhabung der Maschinen zur Verfügung steht.“ Das Bonner Umweltministerium hat mit der neuen BGA–Einschätzung und dem vorgeschlagenen, relativ strengen Grenzwert offenbar erhebliche Probleme. Wie inzwischen bekannt wurde, hat das Töpfer–Ministerium die Veröffentlichung der neuen BGA– Einschätzung in Sachen PER am letzten Freitag verhindert. Die Behörde wurde aus Bonn zurückgepfiffen und BGA–Chef Großklaus sowie der Präsident des Umweltbundesamtes, von Lersner, nach Bonn „zum Rapport“ bestellt. Gestern bemühte sich Töpfer, diesen Eindruck zu korrigieren. Er schloß sich der Bewertung des BGA an und erklärte, daß ein „Handlungsbedarf auf breiter Basis“ bestehe. Nach Gesprächen mit den Ländern, Mitte November, soll über konkrete Maßnahmen entschieden werden. Dabei geht es um nicht weniger als die Existenz von Hunderten von Reinigungen. Sollte der Grenzwert von 0,1 Milligramm durchgesetzt werden, müßten viele ältere Betriebe geschlossen werden. Verärgert zeigten sich gestern Mitarbeiter des Bundesgesundheitsamtes über das Verhalten Töpfers. Sie bestätigten, daß der Umweltminister eine Unterrichtung der Öffentlichkeit über das brisante Ergebnis des PER–Hearings „zunächst gestoppt“ habe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen