PEN-Club, etc.: Welch eine wunderbare Welt
■ Erschütternde Ergebnisse einer Umfrage unter taz-LeserInnen
Am vorletzten Samstag wagte die taz einen einsamen Vorstoß in Richtung auf den mündigen Leser resp. ins Zeitalter der vollinteraktiven Zeitung. Erstmals in der Geschichte des deutschen Journalismus stellte eine Tageszeitung ihren Lesern anheim, über Fortsetzung resp. Abbruch der Berichterstattung zu einem Thema zu entscheiden, das zunehmend Ratlosigkeit provoziert: die stets aufs Neue vertagte Vereinigung der beiden deutschen PEN-Zentren.
„Wie wäre es, wenn wir über PEN-Treffen von heute an nicht mehr berichten würden?“ lautete die Frage. „Wäre das nicht ein wunderbarer Service, der das taz- Feuilleton ziemlich einmalig dastehen lassen würde?“ Aus der Fülle der Zuschriften hier eine repräsentative (doch, doch!) Auswahl:
Das wär schon toll, schrieb uns R. Zielke aus Lingen/Ems, aber welche Zweifel beschlichen den so herrlich konjunktivisch formulierenden Redakteur, daß er der Einmaligkeit des taz-Feuilletons nicht für immer und ewig gewiß ist? R. Zielke traut uns auch nicht einen Meter weit über den Weg, er sieht schon den mehrspaltigen Geburtstagsgruß der taz zur zehnjährigen Vereinigung der PEN-Clubs vor seinen Augen, aufgelockert durch Interviews mit den Unierten der 1. Stunde, eingebettet in den Brei von Kommentaren, der über zehn Jahre im Stillen quellen durfte...
Wir wollen uns das hier offen zutage tretende Mißtrauen zu Herzen nehmen – und wärmen uns derweil an der Selbstverständlichkeit, mit der der taz, dieser von lauter kleinen Lecks angeschlagenen Sklavengaleere, von Herrn Zielke indirekt weitere zehn Jahre Kreuzfahrt auf dem stürmischen Meer des deutschen Tagesjournalismus prophezeit werden.
Kurz und bündig ermutigt uns auch M. Brümmer aus Laudenbach: Ja! Verliert keine Worte mehr über Ost- und West-PEN. Aus der Ferne dankt...“
R. Prost, Schriftsteller aus Aachen, mahnt uns hingegen mit einem Wort von F. Hebbel: „In den Dichtern träumt die Menschheit.“ Um dann wie traumwandelnd den Kontrapunkt zu setzen: Dichter, die nicht einmal miteinander reden wollen, verspielen den Anspruch, die Menschheit zum Träumen zu bringen! Leider ist es weiterhin notwendig, über die Spalter- Treffen der PEN-Clubs zu berichten ... das Kopfschütteln über die Ignoranz und Intoleranz der deutschen Dichter, die von sich beanspruchen, die Menschheit zum Träumen zu bringen, darf jedoch deutlich gezeigt werden.
Danke für die gnädige Erlaubnis, aber das müssen wir uns noch gründlich überlegen, denn die deutschen Dichter, die sich im Streit um die deutschen PEN- Zentren exponieren, scheinen eher von sich zu beanspruchen, die Menschheit zum Schlafen zu bringen.
Außerdem liegen hier noch zwei gewichtige Wortmeldungen vor, die uns in die entgegengesetzte Richtung weisen: Die Lyrikerin Sarah Kirsch, selber PEN- Mitglied, möchte nicht schuldig werden, wenn eine Stimme dann fehlt! Ja, ich bin dafür, daß nicht mehr über den PEN berichtet wird. Es gibt noch eine Liste anderer Themen. Ein weites Feld. 1.000 Grüße vor die Füße...
Und dann die Sensation: Auch Ingrid Bachér, Präsidentin des West-PEN findet, das ist eine wirklich gute Idee, nichts mehr über die Vereinigungsquerelen der deutschen PEN-Clubs zu berichten... Ich hoffe, Sie beschränken Ihre Mißachtung auf dies Vereinigungsthema... Mit freundlichen Grüßen...
Für diese Beschränkung können wir allerdings vorerst nicht garantieren. Lieber noch lassen wir uns von Frau Kirsch zur Ausweitung unserer Mißachtung inspirieren und legen schon einmal eine vorläufige Liste des Verzichtbaren an: keine Geburtstagsartikel mehr, keine Todestage, nie wieder „nationale Identität“, Schluß mit der Frage nach dem „großen deutschen Gegenwartsroman“, oder gar der Zukunft des europäischen Films... What a wonderful taz this could be! Jörg Lau
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