PDS UND WASG KÖNNTEN ZUR ERSTEN GESAMTDEUTSCHEN PARTEI WERDEN : Die neue Linke
Bottrop, nördliches Ruhrgebiet: WASG 2,9 Prozent, PDS 0,9 Prozent. Ein marginales Ergebnis in der alten roten Hochburg? Keineswegs. Die linkssozialdemokratische Wählerinitiative WASG hat NRW-weit mit 2,2 Prozent den Nachweis geliefert, dass sie die PDS im Bund über die Fünfermarke hieven könnte. Voraussetzung wäre eine echte Listenverbindung, denn mit einer „offenen“ PDS-Liste würden sich die wackeren WASGer kaum begnügen.
Ein Duldungsmodell, bei dem PDS/WASG nach der Wahl eine rot-grüne Minderheitsregierung stützen würde, wird zwar in PDS-Kreisen hinter vorgehaltener Hand ventiliert, hat aber kaum Realisierungschancen, zumindest nicht mit Bundeskanzler Schröder und seinem programmatischen „Weiter so!“. Dennoch sind Verhandlungen zwischen WASG und PDS bedeutsam auch über den vorgezogenen Wahltermin hinaus. Sie eröffnen die Perspektive auf die erste, wirklich paritätische Ost-West-Parteigründung.
Bislang hatten sich die zur PDS gestoßenen westdeutschen Linken nirgendwo als nützlich erwiesen. Zu groß waren die politischen und kulturellen Differenzen zwischen den meist linksmilieugeschädigten, intellektuellen Wessi-Hilfstruppen und den Biedermännern aus dem Osten. Jetzt, mit dem Auftreten der WASG, hat sich die Szenerie grundlegend verändert. Die WASG verfügt in ihrer Führung über gestandene Gewerkschaftskader ohne jeden Ruch des Linksradikalismus. Sie verkörpern idealtypisch den Sehnsuchtspartner für die PDS. Denn trotz einiger wagemutiger Ausflüge auf das Terrain jenseits der Traditionslinien, sind die PDSler längst „klassische“ Sozialdemokraten, Seelenverwandte der WASG. Hatte doch nur das brüske Nein der SPD-Führung schon im Jahr 1990 die Massenabwanderung von SEDlern zur SPD verhindert – mit verheerenden Folgen für die organisatorische Stärke der Ost-Sozialdemokraten.
Sicher, es gibt viele Klippen zu umschiffen, aber die Chancen für eine linkssozialdemokratische Partei stehen nicht schlecht. Paradoxerweise könnte diese Konstellation auch der SPD nutzen. Sie könnte Ballast abwerfen. Ob ihr das „nachhaltig“ helfen wird, ist allerdings eine andere Frage.
CHRISTIAN SEMLER