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PDS-STRATEGEN SCHREIBEN AN DIE SPD-LINKEGysi denkt über Schröder hinaus

Gregor Gysi wird wieder politisch aktiv: Am kommenden Dienstag tritt er in der Harald Schmidt Show auf. Viel Spaß dann. Schon an diesem Dienstag hat Gysi einen Brief geschrieben, gemeinsam mit seinem Freund, dem PDS-Vordenker André Brie, adressiert an Oskar Lafontaine. Ausgeliefert hat den Brief gestern die Frankfurter Rundschau.

Schon der Adressat ist nicht ernst gemeint. Der PDS-Brief richtet sich nicht wirklich an den früheren SPD-Parteivorsitzenden, der aus einem Superministerium heraus die internationalen Märkte bändigen wollte. Lafontaine spielt keine Rolle mehr – nicht einmal innerhalb der SPD. Gysi und Brie möchten nicht Lafontaine ansprechen, sondern die sozialdemokratische Linke. Die hat seit dem Abgang des Saar-Napoleons weder Führung noch Widerstandskraft gegen Schröder.

Aber das könnte sich bald ändern. Verliert die SPD, ist nicht nur ein Kanzler Schröder Geschichte, sondern gelöst sind auch die Fesseln der Loyalität, mit denen die sozialdemokratische Linke heute noch gebunden ist. Gysi und Brie haben Schröder schon aufgegeben und rechnen fest mit einem konservativen Kanzler Stoiber. Dann muss die Oppositionsstrategie neu ausgefochten werden.

In dem Brief geht es um einen USA-skeptischen Kurs in der Außenpolitik, um Vermögens-, Erbschafts- oder gar Tobin-Steuer für die Finanzmärkte, um die Angleichung von Löhnen und Gehältern im Osten mit noch mehr Geld vom Staat. Regieren kann man mit diesem Programm nicht, opponieren schon. Das ist der Gysi-Brie-Brief im Kern: ein Angebot für eine gemeinsame Grundlage in der Opposition. Stoiber regiert, während sich in der Nach-Schröder-SPD und in der PDS zwei unterschiedliche kulturelle Milieus an Zusammenarbeit und vermeintlich gleiche Ziele gewöhnen. Ideologischen Ballast abwerfen kann man dann immer noch: vor einer rot-roten Regierungsbildung 2006.

Den Versuch, das Land schon jetzt mit einer solchen Koalition zu verändern, hat Gysi in Berlin mit seinem Rücktritt aus dem Senat gerade abgebrochen. So sind die großen Worte und Hoffnungen im Lafontaine-Brief zu sehen: Gysi hat die Flucht angetreten – raus aus der Realität, rein in ein neues Projekt. ROBIN ALEXANDER

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