PASCAL BEUCKER ZU DEM BESUCH VON ALEXIS TSIPRAS IN BERLIN : Schluss mit Griechenbashing
Der Antrittsbesuch von Alexis Tsipras in Berlin hat zwar keine greifbaren Ergebnisse zur Lösung der ökonomischen und sozialen Krise in Griechenland gebracht. Aber wichtig war er trotzdem. Es gebe „keinen anderen Weg als den des Dialogs, um bestehende Schwierigkeiten zu überwinden“, hat der griechische Premier bei seinem Zusammentreffen mit der deutschen Kanzlerin gesagt. Offenkundig hat das inzwischen auch Angela Merkel begriffen.
Mit ihrer Einladung an Tsipras hat Merkel ein Zeichen gesendet: Es muss endlich Schluss sein mit dem hämischen Griechenbashing. Damit hat sie einen erfreulichen Kontrapunkt zu der unerträglichen Kakofonie aus nationalchauvinistischer Herablassung und sozialdarwinistischer Empathielosigkeit gesetzt, die seit dem Wahlsieg von Syriza Anfang des Jahres immer weiter angeschwollen ist. Höchste Zeit, eine andere Tonlage anzuschlagen.
Aber so wichtig atmosphärische Fragen sind: Es geht um mehr – um die europäische Idee. Welche Wahl bleibt den Wählern eines Landes innerhalb der EU? Welcher Raum wird einer demokratisch legitimierten Regierung gelassen, den Wählerauftrag einer sozialeren Politik zu erfüllen?
Er habe Tsipras schon vor einiger Zeit prognostiziert, entweder zu scheitern oder das Gegenteil seiner Wahlversprechen umsetzen zu müssen, hat unlängst Finanzminister Schäuble gesagt. Eine solche Haltung befördert massiv die ohnehin immer stärker werdenden antieuropäischen Stimmungen. Wenn die Bundesregierung weiter auf die Unterwerfung der griechischen Regierung setzt, nimmt sie nicht nur die weitere Verelendung in Griechenland in Kauf, sie gefährdet das europäische Projekt. Ob Angela Merkel auch hier bereit ist, endlich eine Kurskorrektur vorzunehmen, ist bislang nicht erkennbar.
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