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Archiv-Artikel

PALÄSTINA: PRÄSIDENT ARAFAT BEKOMMT EINEN SCHWACHEN PREMIER Verteilte Ohnmacht, begrenzte Hoffnung

Bisher waren die Palästinenser das einzige Volk der Welt, das zwar einen Präsidenten, aber keinen Staat hatte. Jetzt toppen sie sich noch und ergänzen ihre Führung um einen Premierminister. Damit verteilt sich ihre Ohnmacht künftig auf zwei Schultern. So in etwa bewertet die Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung die Entscheidungen, die das palästinensische Parlament in Ramallah traf.

Aus palästinensischer Perspektive verliert die Tatsache an Brisanz, dass Arafat eine feine Trennlinie zwischen Außen- und Innenpolitik ziehen ließ und Erstere weiterhin für sich als Präsidenten beansprucht, während er Letztere dem neuen Amt überließ. Israel und das Nahostquartett sind nun enttäuscht – aber sollten eines Tages wieder Friedensverhandlungen auf der Tagesordnung stehen, könnte, wenn Arafat der einzige Hinderungsgrund wäre, durchaus auch der Premier sie führen, wenn er sich bis dahin eine Basis für eigene Entscheidungen erarbeitet hat.

Bedenklicher ist, dass einige neue oder umgeschriebene Bestimmungen, die das Parlament beschloss, die Demokratisierung nicht gerade vorantreiben. So erhält Arafat das Recht, den Premierminister nach Belieben wieder zu entlassen. Und auch künftig wird Arafat vom Parlament beschlossene Gesetze zurückweisen können. Eine Wahl des Premierministers wurde ebenfalls nirgendwo verankert. Zudem ist es unsinnig, dass Arafat Kommandeur der Sicherheitskräfte bleibt, während Abu Mazen für die innere Sicherheit zuständig ist.

Trotzdem gibt es positive Signale. Durch sein Recht, die Kabinettsmitglieder zu ernennen, kann Abu Mazen die Regierungspraxis verbessern. Wenn die Behörden effizienter arbeiten, werden sich auch – Arafat hin oder her – die Beziehungen zu den Geberländern verbessern, die diese Behörden finanzieren. Und schon gar nicht kann eine Doppelspitze aus Präsident und Premier nach innen schaden. Bisher war etwa die palästinensische Presse ganz auf Arafat eingeschworen. Das könnte sich ändern und endlich zu breiten innerpalästinensischen Debatten über die Zukunft der Israelpolitik führen. YASSIN MUSHARBASH