PALÄSTINA: DIE HAMAS WIRD SICH NICHT WEGBOYKOTTIEREN LASSEN : Zwischen Dschihad und Parlament
Die Fronten scheinen verhärtet zu sein: Israel weigert sich, mit einer „Regierung des Terrors“ unter Führung der Hamas zu sprechen, und verkündet den Boykott der palästinensischen Behörden. Hamas ihrerseits ist nicht zu Zugeständnissen bereit, ohne dafür etwas von Israel zu bekommen. Beide Positionen sind durch die derzeitige Situation bedingt: In Israel herrscht Wahlkampf, und eine weiche Position gegenüber der Hamas ist kein Stimmenfänger. Und die Hamas bezieht bisher nach wie vor einen großen Teil ihrer Legitimität aus dem „bewaffneten Kampf gegen die Besatzung“.
Tatsächlich könnte die Realität beide Positionen bald obsolet werden lassen. Laut Meinungsumfragen kann sich die Hälfte der Israelis vorstellen, mit der Hamas ins Gespräch zu kommen. Diese Zahl dürfte mit jedem Monat wachsen, mit dem die neue palästinensische Führung sich weiter an ihren Waffenstillstand hält. Die Hamas ihrerseits weiß, dass die in ihrer Satzung festgeschriebene Zerstörung Israels für eine Regierungspartei nicht mehr zeitgemäß ist. Für die Europäer stellt sich die Frage, wie sie sich in dieser Lage positionieren sollen. Zur Auswahl stehen einerseits die US-Linie des totalen Boykotts und des finanziellen Austrocknens palästinensischer Institutionen und die russisch-französische Linie, die Hamas durch Gespräche in den politischen Prozess einzubinden.
Eines muss den Hamas-Boykotteuren klar sein: Die von 60 Prozent der Palästinensern gewählte Organisation wird vielleicht von einer Regierung wegboykottiert werden können – aber dadurch wird sie sich nicht in Luft auflösen. Stattdessen wird ein großer Teil ihrer Anhänger das verlogene Konzept der vom Westen angepriesenen demokratischen Wahlen aufgeben und ihr Heil nicht mehr in der Politik, sondern erneut im Bombenlegen suchen. Ob Boykott oder Einbindung, der Umgang mit der Hamas wird für die Islamisten der gesamten Region die Weichen stellen. Profilieren sie sich als heilige Krieger à la al-Qaida oder als Parlamentarier und Minister, wie in der Türkei? Aufs Abstellgleis werden sie sich mit Sicherheit nicht schieben lassen. KARIM EL-GAWHARY