: Ozonloch: Darf's ein bißchen mehr sein?
■ In London feilschen die Umweltminister um den Ausstieg aus den Ozonkillern / Weitergiften bis zum Jahr 2.000 oder nur bis 1997? / Minister Töpfer prophezeit „schwierige und kontroverse Verhandlungen“
London (taz) - Unter Blinden ist der Einäugige König. Getreu dieser Devise fährt Bundesumweltminister Töpfer diese Woche nach London zur dritten großen internationalen Ozon -Konferenz. Gestern kündigte er „schwierige und kontroverse Verhandlungen“ an, eine gelinde Umschreibung für das würdelose Feilschen darum, wie lange die Ozonschicht der Erde noch durchlöchert werden soll. Wenn in London um die Verschärfung des sogenannten Montreal-Protokolls (eine Verpflichtungserklärung der Nationen zur Reduzierung der Ozonkiller) gerungen wird, werden die Bundesdeutschen erneut als Saubermänner dastehen. Gegenüber den Bremsern aus den USA, Japan, der Sowjetunion, China und Indien steht die BRD mit ihren Ausstiegsplänen trotz der auch hierzulande gepflegten Verschleppung, wie ein leuchtendes Beispiel da.
In den vergangenen Tagen hatten die Unterhändler das Terrain in den Vorverhandlungen abgesteckt. Zwei Vorschläge liegen auf dem Tisch. Die UNEP (die Umweltorganisation der Vereinten Nationen) schlägt eine FCKW-Reduzierung bis 1993 um 20 Prozent, bis 1997 um 85 Prozent und den endgültigen Ausstieg bis zum Jahr 2.000 vor. Die EG hat es etwas eiliger. Ihr Vorschlag: 50 Prozent weniger bis zum Jahr 1993, 85 Prozent bis zum Jahr 1995, der endgültige Ausstieg bis 1997. Damit hat die EG ihre jahrelang gehaltene Bremserfunktion aufgegeben. Ob sie diese Position halten kann, werde, so sagen Konferenzbeobachter, stark vom bundesdeutschen Engagement abhängen.
Aus der BRD beobachtet neben Greenpeace vor allem der Bund für Umwelt- und Naturschutz die Konferenz. Sein Vertreter, Arno Behlau, weist auf das Mißverhältnis zwischen den neuen Daten zur Ozonkrise und den Maßnahmekatalogen von London hin. „Die jetzt vorgesehene Festschreibung reicht bei weitem nicht aus, um die Ozonschicht zu retten“, sagte Behlau. Eine norwegische Studie, die in London kursiert, zeigt, daß auch in den mittleren Breiten die Ozonschicht alarmierend abnimmt. So ist über dem Hohen Peissenberg (Bayern) eine Ozonabnahme von zehn Prozent seit 1967 gemessen worden. Australische Studien belegen ähnliche Trends für die Südhalbkugel.
Neben den langen Ausstiegsfristen kritisiert Behlau vor allem das Ausklammern der teilhalogenierten Stoffe aus dem Reduzierungsfahrplan, die - wenn auch in geringerem Ausmaß ebenfalls die Ozonschicht schädigen. Diese Stoffe sollen noch für die nächsten 50 Jahre zugelassen bleiben. Behlau: „Ein reines Zugeständnis an die Industrie.“ Von Töpfer verlangen die Naturschützer eine energische Intervention für einen schnelleren Ausstieg. „Die deutsche Regelung schneidet im internationalen Vergleich noch am besten ab“, kommentierte Behlau die bundesdeutschen Ausstiegspläne, die unabhängig von den internationalen Regelungen die Ozonkiller bis Ende 1995 auf Eis legen wollen.
Ein heftiges Feilschen wird in London auch um die Einrichtung eines Ozonfonds erwartet. Mit diesem „Topf“ soll den Entwicklungsländern ihr FCKW-Ausstieg erleichert werden. Doch die Höhe dieser Mittel und ihre Verteilung sind heftig umstritten. Zuletzt war eine Summe von 160 Millionen Dollar für die ersten drei Jahre vorgesehen. Sollten wider Erwarten auch China und Indien dem Fonds beitreten, soll er auf 240 Millionen Dollar aufgestockt werden.
TG/-man
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