Osman Engin Alles getürkt: Onkel Ömers Bio-Gemüsebad
Wir sitzen im Garten meines Onkels Ömer und reden gemütlich über Gott und die Welt. Ich erzähle meinem Onkel alles. Am liebsten alle meine Krankheiten.
„Osman, mein lieber Neffe, ich bin nicht Hippokrates. Aber hier in der Nähe gibt’s ein Gesundheitsbad. Ich bringe dich jetzt dahin. Das Wasser von diesem Wunderbad soll bei mindestens hundert Krankheiten heilend wirken“, strahlt er und springt energisch auf.
„Das wäre für den Anfang nicht schlecht, Onkel Ömer. Mir wäre wirklich sehr geholfen, wenn ich erst mal hundert Krankheiten weniger hätte“, freue ich mich.
„Diese Warmwasserquelle ist wie ein kleines Schwimmbad. Besser gesagt, wie eine etwas größere Badewanne. Es passen sechs Leute rein, wenn sie nicht übermäßig dick sind.“
Was tut man nicht alles
Keine zehn Minuten später sind wir da und der bestialische Gestank vom Schwefel erschlägt mich regelrecht. Aber was tut man nicht alles für die Gesundheit. Mit meiner neuen Badehose springe ich in das stinkende Wasser. Bei Allah, ist das heiß! In der Suppe kann man Eier kochen!
Langsam gewöhne ich mich sowohl an die Hitze als auch an den Geruch. Sitze auf dem Boden und das Wasser geht mir bis zum Hals. Mein lieber Onkel hat völlig recht! Ich fühle mich mit jeder Minute gesünder und gesünder.
Plötzlich kommt eine uralte, sehr kleine Oma mit zwei großen Körben in den Händen rein. Baden will sie zum Glück nicht. Stattdessen packt sie einen kleinen Gasofen aus. Dann einen großen Tontopf, danach Karotten, Auberginen, Zucchini, Zwiebeln, Tomaten, Knoblauch und und und.
Nachdem alles ausgepackt, der Topf über dem Gasofen platziert und Olivenöl reingegossen wurde, fängt die Oma an zu schälen; erst die Zwiebeln und den Knoblauch, dann die Karotten, usw.
Also, ich habe überhaupt kein Problem damit, dass sie ihr Essen hier im Heilbad kocht. Es kann ja sein, dass sie sich gerade mit Opa verkracht hat und ihre Ruhe haben will.
Aber was mich auf die Palme bringt ist, dass sie die ganzen Gemüseabfälle ohne hinzuschauen einfach ins Wasser schmeißt. Sie treffen mich am Rücken, am Ohr. Ich werde mit Auberginen- und Zucchini-Schalen bombardiert. Um nicht weiterhin Zielscheibe von weggeworfenem Müll zu werden, verkrieche ich mich in die äußerste Ecke des Bades und dampfe dort total genervt vor mich hin. Wenig später ist das ganze Wasser mit Gemüseresten übersät. Etwas später ruft die Oma, ob wir was essen wollen.
„Naja, die Schalen haben schon mal gut geschmeckt. Jetzt kann ich auch das restliche Gemüse probieren“, lächele ich gequält. Und es schmeckt wirklich toll!
Onkel Ömer ist auch begeistert und brütet eine interessante Theorie aus:
„Osman, dieses kleine Bad ist deshalb so gesund, weil hier in diesem heißen Schwefel-Wasser mehrere Omas jeden Tag die vitaminreichsten Gemüsereste auflösen“, schmatzt er.
„Onkel Ömer, ich werde bei uns in Bremen im Schwimmbad auch mal dieses Zucchini-Auberginen-Knoblauch-Gericht kochen. Bin gespannt, wie die deutschen Badbesucher reagieren werden, wenn ich ihnen die Schalen an den Kopf werfe. Und der Bademeister erst.“
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