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Osman Engin Die CoronachronikenDie Corona-Klage

Als ich mit den Mülltüten die Treppen nach unten laufe – selbst in dieser Coronazeit zwingt mich meiner Frau Eminanim, den Müll runterzutragen –, schnauft mir unser Hausmeister Krummsack derart stark ins Gesicht, dass er alle seine Covid-19-Viren mit Sicherheit bei mir abgeladen hat.

„Mensch, passen Sie doch auf! Sie haben mich brutal angesteckt!“, brülle ich panisch und bekomme auf der Stelle alle möglichen Krankheitssymptome.

„Sie spinnen ja wohl. Verklagen Sie mich doch“, schnauft er erneut, und stampft weiter die Treppen rauf.

„Gut! Sie haben es so gewollt! Wir sehen uns vor Gericht, Sie Virenschleuder!“, rufe ich ihm böse hinterher und laufe mit den Mülltüten in der Hand direkt zu meinem Anwalt.

„Kein Problem, Herr Engin. Wir machen den Kerl fertig“, meint er siegessicher und fordert von Herrn Krummsack 2.000 Euro Schmerzensgeld wegen absichtlicher Corona-Ansteckung.

Zwei Tage später bekommen wir von seinem Anwalt die Antwort, dass von einer Ansteckung keine Rede sein kann, von einer Absicht schon gar nicht, von Corona sowieso nicht. Sein Mandant wüsste nicht mal, wie man schnauft.

Detailliert schildern wir den genauen Tathergang und nennen meine Frau als Zeugin, die leider Krummsacks höllisch lautes Schnaufen genau um 13.45 Uhr mit anhören musste.

Sofort versucht Krummsacks Anwalt, die Glaubwürdigkeit meiner Zeugin zu erschüttern, indem er Krummsacks Frau eidesstattlich schwören lässt, dass sie meine Frau zur Tatzeit im Supermarkt beobachtet hätte, wie sie in der Obstabteilung haufenweise rote Trauben genascht hat, ohne dafür zu bezahlen.

Meine Frau Eminanim schimpft, das geschehe mir recht, weil ich sie ohne ihr Wissen als Zeugin angebe. Frau Krummsack hätte nämlich völlig recht, sie hätte tatsächlich ein paar rote Trauben genascht, weil sie böse unterzuckert war.

Wir schreiben an Krummsacks Anwalt, dass Frau Krummsack wohl die Uhr nicht lesen kann. Der wiederum behauptet, er hätte vom Supermarkt die Aufnahmen der Beobachtungskameras bekommen und darauf sei deutlich zu sehen, dass meine Frau um 13.45 Uhr ein Kilo rote Trauben geklaut und hinter der ­Käsetheke heimlich verputzt hätte.

Mein Anwalt erklärt sich bereit, vor Gericht auch meine Frau zu verteidigen und schreibt an den Anwalt des Kaufhauses, dass 1.000 Euro Strafe und drei Jahre Hausverbot für ein Kilo Trauben zu hoch seien.

„Osman, diese 1.000 Euro bezahlst du“, schimpft meine Frau Eminanim.

„Dafür müsste ich erst von Krummsack die 2.000 Euro Schmerzensgeld wegen absichtliche Corona-Ansteckung kriegen“, sage ich.

„Daraus wird nichts mehr, Herr Engin“, meint mein Anwalt resigniert. „Die 10 Tage Inkubationszeit für Corona sind bereits abgelaufen und Sie sind immer noch fit wie ein Turnschuh.“

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