Osman Engin Die Corona-Chroniken: Endlich wieder Lockdown
Osman Engin ist Satiriker in Bremen. Er liest seine Geschichten im Radio bei Cosmo unter dem Titel „Alltag im Osmanischen Reich“. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).
Osman, Osman, endlich, endlich!“, empfängt mich Eminanim vor Freude hüpfend an der Wohnungstür.
„Was ist denn los? Haben wir im Lotto gewonnen?“, frage ich gespannt.
„Noch besser“, jubelt sie. „Allah hat uns erhört. Wir haben wieder Lockdown!“
„Dann hat uns nicht Allah erhört, sondern Frau Merkel. Hoffentlich dauert der Lockdown diesmal ein paar Jahre länger“, hüpfe ich begeistert mit.
„Leider nur einen Monat“, meint sie leicht betrübt, „aber wenn wir Glück haben, gibt’s Zugabe.“
„Dann dürfen wir keine Zeit verlieren. Worauf hast du denn Lust?“, rufe ich freudig erregt.
„Ich habe den Plan für die erste Woche bereits fertig. Heute möchte ich zuerst Türkisch, dann Thailändisch und dann Mexikanisch. Morgen früh fangen wir mit Griechisch an“, lacht sie und zückt eine lange Liste vor.
„Eminanim, lass uns die morgige Liste später durchgehen. Ich habe Mordshunger.“
Schnell klettern wir in den Wagen und 15 Minuten später betreten wir das Reisebüro Bosporus. Wir sind natürlich die einzigen Kunden im Laden. Sofort springen alle drei gelangweilt in der Nase bohrenden Mitarbeiter auf, um uns willkommen zu heißen.
„Bitteschön, bitteschön, was für eine Ehre! Kommen Sie doch rein, bitte!“
„Osman, weißt du noch, wie proppenvoll dieser Laden vor Corona war und dass sie uns nicht mal mit dem Hintern angeschaut haben, weil sie uns nie teure Fünf-Sterne-Hotels andrehen konnten?“, flüstert Eminanim.
„Ich weiß. Jetzt werden sie einen Monat lang nur uns beide zu sehen bekommen.“
„Wir wollen nach Adana reisen, aber wir würden gerne vorher die landestypische Spezialität von der Stadt kennenlernen“, tut Eminanim absolut kultiviert.
„Das ist der äußerst leckere Adana-Kebap, meine Dame“, meint der Büroleiter in Erwartung eines Geschäfts. „Ich lasse für Sie beide sofort jeweils eine große Portion vom türkischen Restaurant nebenan kommen. Auf Kosten des Hauses selbstverständlich.“
„Bis unser Essen da ist, könnte ich eine Tasse Tee vertragen“, sage ich, während ich es mir auf der Leder-Couch gemütlich mache.
Nach dem wir unser Essen bis zum letzten Krümel weggeputzt haben, meint Eminanim:
„Ich weiß nicht, ich weiß nicht. So restlos überzeugt bin ich von Adana noch nicht.“
„Dann lass uns morgen über Izmir informieren“, schlage ich vor. „Izmir-Köfte soll ja sehr lecker sein.“
20 Minuten später liege ich im Reisebüro Bangkok auf der Massagebank und lasse mich von zwei Thailänderinnen durchkneten – und bin begeistert. Eminanim nicht so:
„Also, es hat mir schon gefallen. Aber um mich für eine Reise zwischen Thailand und Indien zu entscheiden, müsste ich auch das indische Ayurveda kennenlernen. Komm, Osman, lass uns gehen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen