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Osman Engin Die Corona-ChronikenOsman, der Pegida-Corona-Star

Foto: privat

Osman Engin ist Satiriker in Bremen. Er liest seine Geschichten im Radio bei Cosmo unter dem Titel „Alltag im Osmanischen Reich“. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Meine Frau Eminanim und mein kommunistischer Sohn Mehmet holen mich mit dem Ford Transit vom Polizeirevier ab.

„Vater, wie soll ich denn jetzt den Leuten in die Augen schauen? Was hat dich bloß geritten, dass du bei einer illegalen Pegida-Corona-Demo mitmachst?“, schimpft Mehmet was das Zeug hält.

„Und das auch noch in so einer bescheuerten SS-Uniform! Weißt du eigentlich, wie dämlich du darin aussiehst“, schimpft meine Frau böse.

„Leute, regt euch doch wieder ab! Es ist nicht so, wonach es aussieht! Ich bin völlig unschuldig!“

„Vater, du hast diese Scheiß-Uniform sogar immer noch an! Kannst du nicht wenigstens die Mütze absetzen?“

„Mehmet, soll ich etwa nackt rumlaufen? Also gut, ich habe die Geschichte eben mehrmals den Bullen erzählt, jetzt erzähle ich sie euch auch mal. Eminanim, du warst ja einkaufen. Da habe ich die Gunst der Stunde genutzt und sofort den Fußball-Kanal eingeschaltet. Während Werder stürmte, klingelte jemand an unserer Wohnungstür Sturm. Oma Fischkopf von oben stand mit glänzenden Augen im Flur und sagte, heute sei der Geburtstag ihres seligen Ehemanns Herbert. ‚Herzlichen Glückwunsch, Frau Fischkopf‘, sagte ich und wandte mich wieder sofort dem Fernseher zu. Dann zauberte Oma Fischkopf plötzlich einen Anzug hervor und meinte, dieses gute Stück sei der Lieblingsanzug ihres heißgeliebten Herberts gewesen und ob ich mal so nett wäre, ihn anzuziehen. Das würde bei ihr schöne Erinnerungen wecken.

‚Klar, kein Problem‘, sagte ich und während ich das Ding anzog, klingelte es im Werdertor und gleichzeitig auch unten an der Haustür. Oma Fischkopf meinte, ihre Freundin Hertha sei mit ihrem Rollator gekommen, und ob ich ihr denn nicht hochhelfen könne. ‚Klar, kein Problem‘, sagte ich und lief nach unten. Als ich vor die Tür trat, brandete ein Beifallssturm auf. Mehrere Hundert Menschen, die gerade an unserem Haus vorbeiliefen, jubelten mir frenetisch zu. Zwei junge Burschen kamen zu mir und hoben mich auf ihre Schulter. Alle wollten sich wie verrückt mit mir fotografieren lassen. Genau 75 Mal wurde ich fotografiert! Dass das in Wirklichkeit eine Pegida-Corona-Demo war und dass ich eine SS-Uniform anhatte, das habe ich alles wirklich erst auf dem Polizeirevier erfahren. Ich schwör’s euch!“

„Das soll dir eine Lehre sein, derart selbstvergessen in die Glotze zu starren“, faucht Emina­nim.

„Mehmet, sagst du mir bitte Bescheid, wenn bei uns in der Straße wieder eine Pegida-Corona-Demo vorbeikommt?“

„Vater, ich fass es nicht! Hat es dir etwa auch noch gefallen, von den Faschos als Star gefeiert und fotografiert zu werden?“

„Klar! Pro Foto habe ich jedes Mal einen Zehner kassiert. 750 Euro in 30 Minuten. Da kann man doch nicht meckern, oder?“

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