piwik no script img

Osman Engin Alles getürktHans, der Derwisch

Osman Engin

ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Corona-Kolumnen unter https://wortart.lnk.to/Osman_Corona. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Der Ramadan dauert in diesem Jahr noch bis zum 1. Mai. Während des vierwöchigen Ramadans darf der gläubige Moslem von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts essen und nichts trinken. Nicht mal Döner oder Ayran!

Gestern bin ich mit meinem Kollegen Hans in die Türkei gefahren.

Hans hat von den „Tanzenden Derwischen“ in Konya gehört, die will er unbedingt sehen. Ich habe mir vorher nicht träumen lassen, wie toll es ist, mit Hans in der Türkei Urlaub zu machen. Durch ihn habe ich mein Heimatland erst richtig kennengelernt. In der Türkei gibt’s nicht nur jede Menge Bäume, riesige Berge und lebende Esel, sondern ringsherum sogar mehrere Meere, die bis obenhin mit Wasser voll sind.

Wenn ich ohne ihn in die Türkei gefahren wäre, dann hätte ich wie immer bei der Gurkenernte im Dorf meines Onkels helfen müssen. Aus diesem Grunde schlage ich allen Türken dringend vor: Wenn ihr in Euren Ferien wirklich Urlaub in der Türkei machen wollt, dann fahrt mit Hans. Oder nehmt irgendeinen anderen Deutschen mit.

Konya liegt mitten in Anatolien und ist dafür bekannt, dass dort sehr viele religiös-konservative Menschen leben.

Wir fuhren mit dem Nachtbus aus Istanbul und kommen am nächsten Morgen total fit in Konya an. So fit man halt mit einem leeren Magen sein kann. Nicht, dass wir etwa jetzt wegen Ramadan fasten wollen, nein, wir haben nur nichts gegessen, weil wir die ganze Strecke im Bus fest geschlafen haben.

„Du, Osman, ich habe so einen Riesenhunger, wo können wir hier frühstücken?“, fragt Hans. Unser Bärenhunger verführt uns dazu, anstelle der sich drehenden Derwische, nach sich drehenden Dönerspießen zu suchen. Aber während des Ramadans sind in Konya alle Restaurants zu.

„Osman, was ist die Spezialität von Konya?“, stammelt Hans erschöpft.

„Der Hodca ist ohnmächtig“, sage ich.

„Ist der Hodca vor Hitze oder vor Hunger ohnmächtig geworden?“, fragt er irritiert.

„Ach, nein, die Spezialität von Konya heißt so. Das sind mit Hackfleisch gefüllte Auberginen“, erkläre ich ihm.

„Die Auberginen haben’s hier aber gut. Die sind mit Hackfleisch gefüllt, im Gegensatz zu mir“, jammert er. Inzwischen befinden wir uns mittendrin in einer riesigen Menschenmenge. Wir haben die drehenden Derwische schneller gefunden als die drehenden Dönerspieße.

„Osman, wenn ich nicht gleich was zwischen die Zähne kriege, dann drehe ich durch“, stöhnt Hans und fängt an, sich mit den Derwischen zusammen zu drehen.

„Hans, mein Lieber, was ist denn los mit dir?“, rufe ich verzweifelt. Aber er hört mich nicht mehr. Er ist ein Derwisch geworden. Er fastet und tanzt mit denen zusammen. Jetzt muss er nur noch beschnitten werden.

Mein Urlaub ist dadurch natürlich im Eimer. Ich habe keine Ausrede mehr, dass ich meinen deutschen Gast rumführen muss. Jetzt muss ich doch meinem Onkel Ömer bei der Gurkenernte helfen.

Ich hasse Gurken!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen