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Archiv-Artikel

Ortstermin: Mit Erhard Eppler im Atomkriegsbunker Zivil Schutz Ja!

Erhard Eppler mag nicht so gerne fotografiert werden – zumindest nicht in dieser Umgebung. Der ehemalige Entwicklungshilfeminister (SPD) und Protagonist der westdeutschen Friedensbewegung steht im fünften Stock eines Zivilschutzbunkers in Hamburg-Barmbek. Hinter ihm an der Wand hängt ein vergilbtes Lehrplakat über die Wirkung einer Atombomben-Explosion. Daneben steht eine Puppe in grün gummierter ABC-Schutzkleidung. Eppler ist es unangenehm mit der martialischen Ausrüstung geknipst zu werden. „Was habe ich denn damit zu tun?“, fragt er.

Eppler ist auf Einladung des Südwestrundfunks (SWR) nach Hamburg gekommen. Der Sender präsentiert seinen zweiteiligen Dokumentarfilm „Planspiel Atomkrieg“ (3. und 10. September, ARD) über die Abschreckungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg. Eppler ist darin zu sehen, als Zeitzeuge und als Demo-Redner 1981 auf der Bonner Hofgartenwiese. Ein Teil des Films ist in dem Hochbunker gedreht worden. Das Beton-Ungetüm ist noch funktionstüchtig, allerdings auf dem technischen Stand der 70er Jahre. Nichts eignet sich besser für eine Zeitreise – und die beginnt gleich am Eingang.

Da steht der Bunkerwart Peter Mohr in einem blauen Drillich-Overall und plaudert. Er erzählt, dass der Bunker im Zweiten Weltkrieg 1.600 Menschen von der Straße weg Schutz bieten sollte. Dass Churchill gegen Ende des Krieges Bomben mit Milzbrand-Erregern zum Einsatz gegen Deutschland bestellt habe – was im Spiegel stand – und dass der Bunker zwar noch für den Schutz der Bevölkerung vorgehalten wird. Zugleich habe der Bund aber dem Förderverein Historischer Zivil- und Bevölkerungsschutz erlaubt, eine Ausstellung aufzubauen. Dann sagt er: „Sie müssen los, Sie haben noch einen weiten Weg vor sich.“ Tatsächlich sind die Wege im Bunker verschlungen. Es geht an Sitzreihen mit Kopfstützen, Sirenen, Lüftern und Kriegs-Dioramen vorbei. An jeder Ecke steht ein Kollege oder eine Kollegin Mohrs in Uniform und verhindert, dass sich einer verirrt. Sie riechen ein wenig muffig: nach Depot.

Der Film wird in einem Raum gezeigt, der mit Plakatwerbung gepflastert ist. „Zivil Schutz Ja!“, steht auf einem. Darunter ist ein stilisierter Kopf aus einer Art Klorolle mit weißem Helm und einem Pappfinger am unteren Augenlid zu sehen. Andere zeigen abstrakte Grafiken: Kreise und Pfeile. Die düstere Botschaft ist den 70er Jahren entsprechend verpackt. Das war auch nötig: „Wir können davon ausgehen, das die Nuklearstrategie der Nato zu keinem Zeitpunkt von der deutschen Bevölkerung akzeptiert wurde“, zitiert der Film Bruno Thoß vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam.

Eppler fragt sich, wie der Film auf die Generation wirken werde, die den Kalten Krieg nicht erlebt habe. Er selbst habe Angst gehabt, dass es zu einem Atomkrieg kommen könnte, weil einer Seite die Nerven durchgehen. „Ich hatte nie Angst, dass die uns überfallen, dafür hielt ich sie zu schwach.“ Seine Analyse hat sich bestätigt, allerdings nicht in der Form, die er erwartet hatte: Die Amis rüsteten die Sowjets mit Hilfe des Nato-Doppelbeschlusses zur Aufstellung von Mittelstreckenraketen tot. Aber auch sein damaliger Widerpart Helmut Schmidt lag daneben, denn er hatte die Notwendigkeit der „Nachrüstung“ mit der vermeintlichen Stärke der Sowjetunion begründet. „Die Weltgeschichte findet nicht zu dem Zwecke statt, dass einer nachher sagen kann, ich hatte recht“, sagt Eppler. GERNOT KNÖDLER