Opportunismus statt Debatte

■ Anmerkungen zum Sinn des Symposiums / Eine linke Zeitung muß die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Gegner führen / Eine Chance, die Szene–Grenzen zu sprengen

Berlin (taz) - „Die taz - ein PR– Agent der Weltbank?“ Was der Titel eines SFB–Rundfunkbeitrags noch mit einem Fragezeichen versah - für eine Reihe Berliner Dritte–Welt–Gruppen stand es schon fest. Kritik an der Weltbank ja - aber bitte nicht, wenn sich die „Mörder und Henker“ auch noch persönlich verteidigen können. Abgrenzung als erste Politikregel. Mit solchen Gegnern streitet man sich nicht, man „bekämpft“ sie schlicht und einfach, man „verhindert“ ihre Tagung. Was wollte die taz? Dem taz– Berichterstatter auf der letztjährigen Jahrestagung von IWF und Weltbank, die in Washington stattfand, war aufgefallen, daß die örtliche Opposition meist in Klausur tagte, sich auf Lobbyarbeit beschränkte. Die Folge: Von der versammelten Presse wurde sie kaum zur Kenntnis genommen. Daraus entstand die Idee: Neben (nicht innerhalb) der Anti–IWF– kampagne sollte ein Symposium die Weltbankvertreter face to face der „geballten Kritik“ von Betroffenen, Wissenschaftlern und Politikern ausgesetzt werden. Im Mittelpunkt: eine Anhörung. Weltbankkritiker (“Länderexperten“) sollten Weltbankprojekte aus verschiedenen Län dern kritisieren. Erst „nach dieser Anhörung“ sollte „den Weltbankleuten die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben werden“. Die taz fragte beim PR–Büro der Weltbank in Paris an (nicht umgekehrt, wie Szenegerüchte wissen wollten), Paris und Washington sagten hochrangige Beteiligung zu - darunter auch der bundesdeutsche stellvertretende Exekutivdirektor. Wir meinen: Eine einmalige Chance, die Mauern der „Szene“ zu überspringen, eine Möglichkeit, auch solche Menschen mit der Weltbankkritik zu erreichen, die sich nicht schon vorher unter der Parole „Verhindert den IWF/ Weltbank–Kongreß“ eingereiht haben. Eine linke Zeitung muß die öffentliche Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner suchen und dafür Formen finden, die über das einfache Interview hinausgehen. Natürlich verspricht sich (wie beim Interview) auch der Gegner immer etwas davon, daß er seine Position darstellen kann. Die Kritiker der Weltbank sind doch aber gerade dann stark, wenn sie sich der direkten Konfrontation aussetzen können - und offenbar wollen das auch viele. Im übrigen: Das Bonner Entwicklungsministerium hat auch seine Hintergedanken, wenn es entwicklungspolitische Aktionsgruppen (die dem BUKO angehören) finanziell unterstützt - früher hat auch der BUKO selbst Geld bekommen. Trotzdem haben die meisten Gruppen das Geld akzeptiert. Warum wohl? Aus Opportunismus oder weil sie sich unabhängig genug fühlten? Opportunistisch sind eher diejenigen, die der taz den „falschen Zeitpunkt“ vorwerfen, die Angst vor dem taz–Vorschlag haben, weil er das fragile Bündnis mit „autonomen Gruppen“ gefährden könnte. Der taz geht es aber nicht um die Machtfrage in dieser Stadt (“Wie wird der IWF–Kongreß verhindert?“) - eine Frage im übrigen, die die Berliner Machtverhältnisse völlig verkennt. Wenn Vertretern aus der „Dritten Welt“ verboten werden soll, mit der Weltbank öffentlich ins Gericht zu gehen, dann verstehe das - außerhalb der Berliner Szene - wer will. Aber wie heißt es so schön in dem Flugblatt der Autonomenplena? Die Sprecherin der Anti– Staudamm–Initiative aus Indien wäre auf dem taz–Symposium ja nur eine „Alibi–Betroffene“. Hauptsache, das Weltbild stimmt. Uli Kunkel