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Opfer-Entschädigung wegen MissbrauchsAngebot der Jesuiten abgelehnt

5.000 Euro will der Jesuiten-Orden an jedes Missbrauchsopfer zahlen und erklärt, dies könne das Leid nicht entschädigen. Genau deshalb fordern die Betroffenen 80.000 Euro.

Ort des Missbrauchs: das Canisius-Kolleg in Berlin. Bild: dpa

FRANKFURT/MAIN/München afp | Missbrauchsopfer haben die angekündigten Entschädigungszahlungen des katholischen Jesuiten-Ordens als nicht ausreichend bezeichnet. Die angebotene Summe von 5.000 Euro sei deutlich zu niedrig, "um den erlittenen Schaden zu kompensieren oder auch nur eine Anerkennung der Schuld zu signalisieren", sagte Thomas Weiner von der Gruppe Eckiger Tisch der Frankfurter Rundschau. Ihm sei zudem "unverständlich", dass die Opfer, die dem Orden ja bekannt seien, einen Antrag stellen sollten.

Die Jesuiten hattenen den Opfern von sexueller Gewalt an Schulen des Ordens am Mittwoch jeweils 5.000 Euro Entschädigung angeboten. Provinzial Stefan Kiechle habe dies den Betroffenen schriftlich mitgeteilt und in dem Schreiben gleichzeitig darauf hingewiesen, dass eine solche Summe "niemals das angetane Leid entschädigen kann", bestätigte in München Ordenssprecher Thomas Busch einen Bericht der Süddeutschen Zeitung. Das Angebot sei an einen Teil der Opfer per E-Mail und an einen Teil per Brief geschickt worden.

Nach Angaben des Sprechers meldeten sich bisher 200 Opfer, die am Berliner Canisius-Kolleg und an Jesuiten-Schulen in Hamburg, Bonn und St. Blasien im Schwarzwald missbraucht worden waren. Damit zahlt der Orden insgesamt eine Million Euro an Entschädigungen. Busch sagte zu ursprünglichen Forderungen von Opfern nach einer Summe von mehr als 80.000 Euro je Fall, dies sei für die Jesuiten "schlicht und einfach eine Größenordnung, die unrealistisch ist".

Er fürchte aber, dass die 5.000 Euro bei den Opfern nicht zur Zufriedenheit führen werden. "Der Orden sieht da aber keine Alternative." Es handle sich bei dem Betrag um "ein Zeichen", das sich an der Leistungsfähigkeit des Ordens orientiere.

Die Missbrauchsopfer sollen das Geld aber nicht sofort bekommen. Die Jesuiten baten viel mehr um "zwei bis drei Monate Geduld", da eine gemeinsame Lösung mit anderen Orden und Bistümern der katholischen Kirche gesucht werde. Bisher hat sich die katholische Bischofskonferenz noch nicht auf die Höhe einer Entschädigung festgelegt.

Nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle am Canisius-Kolleg vor einem Jahr meldete sich eine Reihe von Opfern, die nach oft jahrelangem Schweigen davon berichteten, an kirchlichen Einrichtungen missbraucht worden zu sein. Zur Aufarbeitung dieser Fälle und auch zur Aufarbeitung von Missbrauch im nicht-kirchlichen Bereich setzte die Bundesregierung im vergangenen Jahr eine eigene Anlaufstelle ein.

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4 Kommentare

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  • S
    sauerkraut

    dieses ganze lügentheater der kirche geht mir furchtbar auf den geist!im letzten jahr hatte ich den ndr auf einen fall aus dem jahr 2002 hingewiesen, wo ein priester im hildesheimer raum sich vergangen hatte. danach vom bistum nach würzburg verbracht wurde um dort in einem kloster, in einem recollectio haus, wieder "normal" werden sollte. dort keinen kontakt zu jugendlichen haben durfte, nur altenbetreuung durchführen durfte.der ndr mußte fest stellen, das das bistum hildesheim am gleichen tag, als ich herrn beil informierte, mittags die presse belogen hatte.und nun diese diskussion auf dem rücken der betroffenen, wann wird ein rudolf maria algermissen zur rechenschaft gezogen?wieder tätig in göttingen!in der krankenhaus seelsorge?wieso machen kloster so etwas mit?wieso macht ein anselm grün so etwas mit?

  • NR
    Norman Reppingen

    Wenn die Vatikanbank mit einem Kredit über 300 Jahre Laufzeit aushilft, was ja kein Problem darstellen sollte, ist da noch einiges an Spielraum.

  • U
    unklerikal

    ach so, die höhe der entschädigung orientiert sich "an der leistungsfähigkit des ordens". das halte ich für falsch. zum einen ist die vermutung berechtigt, dass der orden in den vielen vergangenen jahrhunderten eine menge vermögen irgendwo auf der welt angehäuft hat. zum anderen wäre es doch ein SEHR schöner nebeneffekt, wenn teilorganisationen der kath. kirche im zuge der entschädigungen pleite gehen würden. insolvenz und aus die maus..

  • MS
    Martin Schnitzler

    Warum prüft der Staat nicht Möglichkeiten, mit der Kirche bestehende Konkordate abzuschaffen, vor Urzeiten geschlossene Kirchenverträge zu kündigen o.ä. um einen aus daraus resultierenden Einsparungen einen Fonds aufzulegen und Opfer zu entschädigen. Die Kirche bekommt jedes Jahr staatliche Leistungen in vielfacher Millionenhöhe als Schadensersatz für den Verlust von Ländereien durch die Säkularisation Anfang des 18. Jahrhunderts und das bis zum Sanktnimmerleinstag. Wenn es denn so ist und das dürfte wohl mittlerweile sozusagen amtlich sein, dass durch den von Kirchenleuten ausgehenden und von der Kirche wegen aktiven Wegsehens und Vertuschens zu verantwortenden flächendeckenden Missbrauch Unschuldiger, hohe, von der Solidargemeinschaft zu tragende Kosten für ärztliche, psychologische Behandlung von Missbrauchsopfern, für Frühverrentungen der Opfer etc. und damit hoher wirtschaftlicher Schaden für die Gesellschaft entstanden ist, sollte es doch möglich sein, vertraglich geschuldete, staatliche Leistungen zu kürzen, Verträge zu kündigen oder zumindest eine Vertragsanpassung von der Kirche zu fordern. Oder einfach nicht mehr zahlen und warten, ob die Kirche klagt und ein Gerichtsverfahren als Forum zu benutzen. Da gäbe es Möglichkeiten. Der Staat moderiert wie üblich nur noch bestehende Problemlagen statt zu handeln. Es wird wie üblich ausgesessen. Schließlich will man sichs ja nicht mit dem Kirchengänger verscherzen, der einen bei der nächsten Wahl abstrafen könnte.