Open Source Film: Einmal nach Hollywood und zurück
Drei Leipziger wollen mit volkseigenem Bildgut die Filmwelt verändern. Mit Spielfilmen zum Runterladen - gratis. Ihr zweites Werk "Die letzte Droge" hat auf der Fusion Premiere.
Drei Jungs machen Urlaub in den USA. Sie kaufen sich eine alte Klapperkiste, um die Route 66, Amerikas berühmteste Fernverkehrsader, entlang zu fahren. Doch unterwegs gibt das Auto ständig seinen Geist auf. Von den obskuren Situationen, in die sie durch die verschiedenen Pannen geraten, begeistert, halten sie ihren Trip mit der Digitalkamera fest. Zuhause sehen sie, dass ihnen ein eindringliches, sowie ziemlich amüsantes Porträt US-amerikanischer Wirklichkeit gelungen ist. Die drei schneiden einen Kinofilm zusammen, den über 1,3 Millionen Menschen sehen und der über Nacht ihr Leben verändert.
Die Geschichte ist gleichermaßen Filmplot und Realität. Die drei Reisenden heißen Stefan Kluge, Mathias Eimann und Gerald Menzel und kommen aus Leipzig. Kluge und Menzel studierten zum Zeitpunkt ihres Urlaubs in den USA Informatik, während Eimann bei einer Film-Produktionsfirma jobbte. Der auf ihrer Reise entstandene Dokumentarfilm "Route 66" verbreiteten sie seit Dezember 2004 ausschließlich über das Internet. Denn wie viele Filmemacher vor ihnen, fanden die drei keinen Verleih für ihr ungewöhnliches Projekt.
Also stellten sie den Film ins Netz - zum kostenlosen Download. Um ihn anzuschauen, zu verändern oder im Kino zu zeigen. Es ist den Nutzern auch erlaubt ihn auf DVD zu brennen, so oft sie wollen. Eine Horrorvorstellung für Studiobosse. Der Erfolg von "Route 66" ist für die drei überwältigend. Obwohl Kluge, Menzel und Eimann bis dato gegen alle Regeln des Filmbusiness verstoßen haben: Der Film wurde bisher über 700.000 Mal heruntergeladen, über 600.000 DVDs sind als diverse Zeitungsbeilagen erschienen, und Programmkinos in ganz Europa haben ihn aufgeführt.
Möglich wurde dieser Erfolg durch Creative Common, einer Non-Profit-Organisation, die auf einer Idee des US-amerikanischen Rechtsprofessors Lawrence Lessig basiert. Die weltweit agierende Organisation bietet in Form von vorgefertigten Lizenzverträgen einen breiten Rahmen an Möglichkeiten für die Veröffentlichung digitaler Medieninhalte. Die Verträge erlauben Musikern, Filmemachern und Autoren einen freieren Umgang mit ihrem geistigen Eigentum. Sie sollen festlegen können, ob ihre Werke von anderen kopiert, verändert und sogar verkauft werden dürfen. Und die drei Leipziger nutzten Creative Common, um als weltweit erste ein derart komplexes Werk wie einen Kinofilm zur freien Verfügung zu stellen.
Mit Hilfe von Sach- und Geldspenden begeisterter Fans gründeten Kluge, Eimann und Menzel eine Produktionsfirma mit dem symbolträchtigen Namen "VEB-Film". Und ganz im Sinne des Volkseigentums drehten sie ihren zweiten Film. Hier durchqueren drei Backpacker, einer von ihnen ist Wissenschaftler, Südamerika auf der Suche nach der letzten unerforschten Droge. Gedreht in Bolivien, Leipzig und Dresden führt er ans Ende der Welt, darüber hinaus und über halluzinogene Kurven wieder an den Start der Reise. "Die letzte Droge" wurde im neusten HD-Standard für digitales Fernsehen gedreht - also hochauflösend und auch auf jeder Kinoleinwand in erstklassiger Qualität projizierbar. Er ist damit der erste HD Open Source-Streifen der Filmgeschichte.
Am Freitag, den 29. Juni, wird eine Rohfassung des Filmes auf dem Fusion-Festival in Neustrelitz gezeigt. Auf der Internetseite von VEB-Film kann man sich jetzt schon den Trailer anschauen und im Blog über den aktuellen Stand der volkseigenen Produktion informieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!