Online-Portal "Formspring": Frag mich alles!
Wer den Fragedienst "Formspring" nutzt, der kriegt Antworten selbst zu den abstrusesten Fragen. Doch die Community kämpft auch mit einem Problem: Mobbing.
Wer Formspring zum ersten Mal in Aktion sieht, wundert sich, wie man bei so etwas teilnehmen kann. Doch die Frage- und Antwort-Plattform floriert mittlerweile insbesondere im englischen Sprachraum, nachdem sie zum Start 2009 nur wenigen Social-Media-Nerds bekannt war.
In den letzten zwei Jahren ist stetig am Konzept der Seite gefeilt worden. Das Layout scheint verändert, und die Firma ist aus einem anderen Start-up ausgelagert worden, als sich zeigte, dass man hier offenbar auf etwas Interessantes gestoßen war. Das Grundkonzept von Formspring - nämlich mit wenigen Mausklicks eine Seite zusammenbauen zu können, auf denen jeder Nutzer sich von anderen Menschen zu jedem beliebigen Thema ausquetschen lassen kann - bleibt bestehen.
Das alles ist aber nicht ungewöhnlich für ein junges Online-Unternehmen. Die hohe User-Anzahl, die Formspring neuerdings erreicht hat, lässt einen allerdings aufhorchen: Laut Angaben des Unternehmens sind es an einem Stichtag im Mai 24 Millionen Accounts. 3,5 Millionen eindeutige Besucher hat der Dienst mittlerweile jeden Tag. 10 Millionen Antworten generiert der junge Internetdienst alle 24 Stunden. Durchschnittlich dauert eine Antwort nicht länger als 12 Minuten.
Dumme Fragen und dumme Antworten
Der Erfolg scheint auf zwei Komponenten zu beruhen: Zunächst wäre da der schlichte Narzissmus, sich durch den Prozess des Fragenlassens im Mittelpunkt zu sehen - schließlich hat man das Gefühl, "interviewt" zu werden. Möglichst "coole" Antworten wiederum dienen dazu, sich in einem guten Licht darzustellen. Beim Formspring-Management scheint man das längst begriffen zu haben. "Wir haben eine superspaßige Community aus Millionen von Fromspringern, die es lieben, auf Fragen zu antworten, die ihre tolle Persönlichkeit vorführt", heißt es im Firmenblog. Und das Unternehmen tut alles, um den Informationsfluss zu optimieren: Mittlerweile kann man im Fragenarchiv ebenso einsehen, wie nützlich die Antworten aller Nutzer sind. Oder, um es etwas sarkastisch auszudrücken: Dumme Fragen und dumme Antworten werden so bewahrt.
Mobbing via Formspring
Womit die Probleme des Dienstes beginnen: Mobbing. Der Dienst ist mittlerweile auch bei Schülern zwischen 13 und 17 vor allem in den USA und England sehr beliebt - als eine Art digitale Version von "Wahrheit oder Pflicht". Angetrieben wird die Formspring-Maschine durch die Vernetzung mit Facebook, Twitter und anderen sozialen Netzwerken - und die Tatsache, dass der Dienst anonym genutzt werden kann.
Was dabei herauskommen kann, sind ernsthafte Vorfälle. In den USA kam es bereits im März letzten Jahres zu einem Selbstmord einer 17-jährigen Schülerin, über die via Formspring und Facebook zuvor Dutzende negative Kommentare verbreitet worden waren. Was virtuell begann, hatte dann schwerwiegende Konsequenzen in der Realität, weil die Fromspring-Fragen häufig in intime Bereiche abdrifteten - und genau hier könnten Jugendliche zu Schaden kommen.
Die Möglichkeiten, sich zu wehren, entsprechen denen anderer Social-Media-Plattformen. So kann man anonyme Fragen und Antworten unterbinden, unerwünschte Nutzer blockieren und Mobbing-Vorfälle dem Community-Management (oder nötigenfalls der Polizei) melden. Da der Druck auf den Schulhöfen steigt, bei dem Dienst Mitglied zu werden, ist wohl die ultimative Lösung, sich Formspring einfach zu verweigern.
Erste Schulen in Nordamerika haben deshalb begonnen, Schülern die Nutzung des Dienstes zu untersagen. Formspring selbst unternimmt auch Aktionen gegen das Mobbing. Das Portal arbeitet seit diesem Frühjahr zusammen mit dem renommierten Massachusetts Institute of Technology an den Anti-Mobbing-Strategien. Dabei geht es um eine Software-Lösung, die problematische Inhalte automatisch "taggen" soll. "Das ist für uns von hohem Interesse", so Formspring-Kommunikationsleiterin Sarahjane Sacchetti.
Trotz des Gegenwindes: Es ist davon auszugehen, dass Formspring weiter wächst. Der Dienst hat zuletzt 14 Millionen Dollar Risikokapital eingenommen und zog dann in die Metropole San Francisco um. Ein Start-up-Veteran wurde zum Organisationsleiter berufen. Geld verdient Formspring zwar noch nicht, doch könnte die Firma Premium-Dienste einrichten oder Werbung schalten lassen. Vermutlich winkt aber eher eine Übernahme durch ein großes Internetunternehmen.
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