Olympisches Feuer auf der Flucht: Die Fackelfarce
Auf seiner Weltumrundung flieht das olympische Feuer vor Demonstranten. Durch San Francisco wurde es auf geheimer Route getragen. Wie wird man es in Buenos Aires verstecken?
Auf der Flucht vor der Weltöffentlichkeit ist der olympische Brennstab nun in Buenos Aires angekommen. Noch ist unklar, ob die chinesischen Feuerwächter in der Hauptstadt Argentiniens einen Hangar anmieten und die Staffelläufer im Kreis herumjoggen lassen. Das hätte ein paar unschlagbare Vorteile. Demonstranten kämen nicht heran an die Fackelträger. Kulissen könnten aufgebaut werden, vor denen sich der Lauf prima inszenieren und ablichten ließe. Die Bilder für den Endabnehmer in Schanghai, Peking oder Chengdu wären komplett frei von westlichen Saboteuren und anderen Demo-Wütigen, die die menschenfreundlichen Absichten der chinesischen Staatsführung verkennen.
Steht ein Hangar nicht zur Verfügung, müsste die Fackel wohl oder übel hinaus auf die Straße. Bei guter Organisation funktioniert auch das prima. Man muss das Feuer nur durch Potemkinsche Dörfer führen. Die gibt es überall auf der Welt. Gern helfen auch ein paar westliche Politiker mit, sie zu errichten. Selbst in der liberalen US-Metropole San Francisco ist das ja möglich. Nur ein kleiner konspirativer Zirkel kannte den Streckenverlauf. Die Fackelläufer joggten weder über die Golden Gate Bridge, noch liefen sie durch China Town.
Die Fackel fuhr wieder einmal viel Bus, tauchte im Niemandsland der Suburbs auf und verschwand sogar einmal in einer Lagerhalle. Warum? Man weiß es nicht so genau. Vielleicht diente die Halle als Fluchtpunkt, wo dann eine neue Route per Zufallsgenerator ausgeheckt wurde. Denn stehen mehr als 20 Leute an der Strecke, droht dem brenzligen Olympiasymbol große Gefahr. Dabei wird das Feuer nicht nur geschützt von einer Kompanie Elitechinesen, sondern neuerdings eben auch durch geheime Routenpläne.
Was ist nur aus diesem Fackellauf geworden? Zur Fackelfarce, zum PR-Desaster für das Internationale Olympische Komitee (IOC) ist er geworden, zum Sinnbild für das mannigfaltige Unrecht in China. Löschanleitungen werden verbreitet, die Fackel dient nicht mehr der Weihe eines größeren Sportfestes, sie entzaubert vielmehr Chinas Olympia-Inszenierung. Ja, selbst Manfred von Richthofen, ehemaliger Präsident des Deutschen Sport-Bundes (DSB), sagt: "Es ist ein peinliches Schauspiel, und man hat eigentlich Mitleid mit beiden Seiten." Sie laufen trotzdem weiter, auch wenn man nicht weiß, wo genau sie das tun.
Das IOC hat signalisiert: The Show must go on. Auch China denkt gar nicht daran, klein beizugeben. Im Gegenteil. "Keine Kraft" könne ihn stoppen, den Lauf, ließ ein olympischer Chinese mitteilen. In Delhi wird der Fackellauf wegen hohen Protestaufkommens womöglich unterirdisch veranstaltet, in Canberra wird die Flamme wohl nur im Hubschrauber über die Stadt fliegen, weil der australische Premierminister bereits angekündigt hat, die chinesischen Fackelguards nicht ins Land zu lassen.
Erst am 4. Mai erreicht der Etappenlauf chinesischen Boden. Doch dann ist für das IOC und für Chinas Staatslenker noch längst nicht alles ausgestanden. Die Route führt durch Tibet, sogar hoch auf den Mount Everest. Das Basislager, berichtete Bergfex Reinhold Messner neulich, gleiche jetzt schon einem Militärlager. In diesem Umfeld dürfte sich das olympische Feuer heimisch fühlen.
Man fragt sich nur, warum es noch immer genug Läufer gibt, die bereit sind, die Fackel zu tragen, Läufer, die nichts dagegen haben, sich zum Büttel der Funktionäre machen zu lassen. Deutschlands oberster Sportfunktionär, IOC-Vize Thomas Bach, so übermitteln es die Agenturen, habe "mit großer Freude" zur Kenntnis genommen, "dass in San Francisco nichts passiert ist". So kann man es auch sehen.
Bach, Aufsichtsratsmitglied einer mittelständischen Firma, die in China gute Geschäfte macht, und Aspirant auf den Posten des IOC-Chefs, wird natürlich auch am Fackellauf teilnehmen. Selbst die SPD findet das nicht gut. "Man muss sich nicht ausgerechnet dort zeigen, wo es politisch am brisantesten ist", sagt der Chef der Sportausschusses im Bundestag, Peter Danckert. Das ehrt den Politiker. Aber auch er wird im August nach Peking reisen, um das olympische Feuer am Endpunkt des Spießrutenlaufs zu besichtigen. Dabei sein ist schließlich alles bei Olympia.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner