Olympische Winterspiele 2018: Garnix-Partenkirchen?
Eigentlich bewirbt sich München. Doch alle Schneewettkämpfe sollen in Garmisch-Partenkirchen stattfinden. Da fühlten sich viel übergangen – jetzt wird abgestimmt.
MÜNCHEN taz | Die Nervosität steigt. Selbst glühende Olympiabefürworter wie der ehemalige Skirennläufer Christian Neureuther wissen, dass es eng wird. "Wir müssen kämpfen", sagte er der taz. "Am Sonntag feiern wir dann oder wir trauern - eine Niederlage wäre das Aus für Olympia." Ein Ort mit 26.000 Einwohnern kann die Olympiabewerbung von München, Schönau am Königssee und eben Garmisch-Partenkirchen zu Fall bringen.
Seit Ende Februar laufen im Ort zwei Bürgerbegehren, eines gegen, eines für die Spiele. Den einen sind die Spiele zu groß, sie fürchten, dass ihre Heimat darunter leidet. Die anderen hoffen auf einen Schub für den seit Jahren stagnierenden Wintertourismus. Beide Seiten haben tausende Unterschriften gesammelt - deswegen nun ein doppelter Bürgerentscheid, bei dem im Zweifel eine Stichfrage entscheidet. Das Interesse ist riesig: 5.200 Bürger haben Briefwahl beantragt, Politiker im Ort erwarten eine hohe Beteiligung. Viele Bürger sind froh, dass endlich abgestimmt wird - das Thema "Olympia 2018" hat einen Keil durch den Ort getrieben; niemand wagt vorherzusagen, wie der Entscheid ausgeht.
Die Olympiaplaner hoffen immer noch, dass sie eine klare Mehrheit bekommen. Ein knapper Sieg wäre schon eine Niederlage. Plötzlich spüren alle, wie schnell der olympische Traum vorbei sein kann. Bei einer Podiumsdiskussion in den Räumen der BMW-Welt am Münchner Olympiapark am Donnerstag appellierte der Oberbürgermeister der Stadt, Christian Ude (SPD), geradezu flehentlich: "Eine Niederlage wäre ganz, ganz schlimm. Die Mehrheit muss abstimmen - das ist das Gebot der Stunde." Unterstützung bekam Ude vom ehemaligen Außenminister Joschka Fischer (Grüne), der sich zum ersten Mal offiziell als Olympiafan outete und - ganz Elder Statesman - fragte: "Warum könnt ihr euch nicht einigen?"
Fehler zugegeben
Die Olympiaplaner geben mittlerweile offen zu, dass in Garmisch-Partenkirchen Fehler gemacht wurden. Vor zwei Jahren wäre eine Einigung kein Problem gewesen. Doch die Planer haben die Bürger einfach nicht eingebunden: keine Aufklärung über das Milliardenprojekt Olympia, keine Gespräche mit den Grundstückseigentümern. Dazu ein großkopfertes Verhalten - allen voran vom damaligen Bewerbungschef, dem Unternehmer Willy Bogner. Er ist im Ort immer noch für zwei Sätze bekannt: "Der Einzelne muss im Zweifel auch zurückstecken. Das gehört zu seinen staatsbürgerlichen Pflichten."
Auf dem Stimmzettel beim Olympia-Bürgerentscheid am Sonntag in Garmisch-Partenkirchen können die knapp 21.000 Stimmberechtigten insgesamt drei Kreuze machen.
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Bürgerentscheid 1: Die Befürworter fragen, ob die Marktgemeinde die Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Winterspiele im Jahr 2018 als Partner von München wie geplant weiter vorantreiben soll.
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Bürgerentscheid 2: Die Gegner richten sich gegen Spiele am Fuße der Zugspitze. Er sieht im Kern vor, dass die Gemeinde sämtliche mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) geschlossenen Verträge auf ihre Rechtsgültigkeit überprüfen muss, um einen Weg zu finden, doch noch aus der Bewerbung auszusteigen.
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Stichfrage: Falls beide Bürgerentscheide mehrheitlich mit "Ja" beantwortet werden sollten und dabei jeweils die 20-Prozent-Hürde der Stimmberechtigten nehmen, würde das Ergebnis der Stichfrage ergeben, welche Entscheidung dann gelten soll: "Ja" zu Olympischen Winterspielen oder "Nein". Hier können die Bürger von Garmisch-Partenkirchen das dritte Kreuz machen. (dpa)
Im Alpenort sollen 2018 alle Schneewettbewerbe stattfinden: Ski, Skispringen, Snowboard - alles Wettbewerbe, die tolle Bilder garantieren, mit denen eine Olympiastadt glänzt. Doch für viele Menschen in Garmisch-Partenkirchen ist das Thema Olympia durch. Die meisten Grundstückseigentümer wollen gar nicht mehr reden: 63 von ihnen lassen sich seit Monaten von Rechtsanwalt Ludwig Seitz vertreten.
"Die Bewerberseite möchte uns totschweigen", klagt Seitz gegenüber der taz. "Ansonsten werfen sie gern mit Falschbehauptungen um sich." Es gebe keine aussichtsreichen Gespräche, außerdem würden nach wie vor 50.000 Quadratmeter Fläche im Kernbereich der Sportstätten fehlen. Die Olympiabewerbungsgesellschaft spricht dagegen immer wieder von einer Handvoll Grundstücke, von denen eines sehr wichtig sei, da es im Zielbereich der Kandahar-Abfahrt liegt.
"75 Prozent der Sportstätten für 2018 sind bereits vorhanden", sagt Bewerbungschef Bernhard Schwank der taz. "Nur 1 Prozent der eingeplanten Flächen müsste neu, dauerhaft bebaut werden." Nach Vorstellungen der Planer sollen die Spiele 2018 nicht nur nachhaltig, sondern vor allem grün sein. "Wir investieren über 100 Millionen Euro in 18 Umweltprojekte, bauen zum Beispiel ein Zentrum für Nachhaltigkeit", sagt Schwank.
Es sei falsch, dass so viele Sportstätten bereits stehen, widerspricht der Vorsitzende des Bundes Naturschutz in München, Christian Hierneis. Der Olympiagegner beklagt die Arbeitsweise der Befürworter. Bei vielen Kleinigkeiten in den Bewerbungsunterlagen, im sogenannten Bid Book, würde die Bewerberseite Tatsachen falsch darstellen.
"Der Deutsche Naturschutzring ist zum Beispiel schon lange ausgestiegen", sagt Hierneis. "Und nirgendwo steht, dass für das olympische Dorf 2.000 Bäume gefällt werden müssen." Anfang März hat Hierneis mit anderen Olympiagegnern Mitgliedern einer IOC-Evaluierungskommission seine Argumente vorgetragen. Der Naturschützer befürchtet neben der ökologischen Komponente, dass die Kosten für die Spiele explodieren.
Kostenstreit
Über die Kosten gibt es bei sportlichen Großereignissen immer Streit. Aktuell erwähnen die Olympiaplaner gern, dass die Ski-WM im Februar in Garmisch-Partenkirchen einen Gewinn von 5 Millionen Euro gebracht hätte. Die Gegner erwidern, dass im Vorfeld 80 Millionen Euro investiert werden mussten, um das Skigebiet auf Vordermann zu bringen. Bei Olympia 2018 rechnen die Befürworter mit Milliardengewinnen, die Gegner befürchten ein Milliardengrab. "Die Kommunen zahlen, es profitiert nur das Internationale Olympische Komitee", sagt Hierneis.
Selbst Olympiabefürworter sehen das IOC kritisch; Christian Ude hat die Verträge einmal als "Zumutung" bezeichnet. Doch anscheinend ist auch bei Ude der Traum größer, weltweit die erste Stadt zu sein, die sowohl Sommer- als auch Winterspiele ausrichtet. Vor rund zehn Jahren soll der SPD-Politiker auf die Idee gekommen sein, Olympia nach München zu holen. Kritiker spotten, dass Ude nur in die Geschichtsbücher eingehen will.
Sie monieren auch, dass Ude, der München seit 1993 regiert, sich in den vergangenen Jahren merklich geändert habe - Ude agiere mittlerweile abgehoben, impulsiv und dulde vor allem beim Thema Olympia keinen Widerspruch. "Ein großes Projekt hat noch nie so viel Zustimmung wie Olympia erfahren", sagt Ude immer wieder gern. Nach taz-Informationen gibt es aber sogar in Udes Partei, der SPD, durchaus Kritik an der Olympiabewerbung - nur offen sagen will das keiner.
Hartmann ist der Glücksfall für die Gegner
Keine Angst hat Ludwig Hartmann, für viele das Gesicht der Olympiagegner. Der 32-Jährige sitzt erst seit drei Jahren im Landtag, gilt aber schon als kommender Spitzenpolitiker der Grünen in Bayern. Hartmann ist ein Glücksfall für die Olympiagegner. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass die Grünen auf ihrem Bundesparteitag im Herbst gegen die Bewerbung stimmten - die Olympiabefürworterin Claudia Roth verließ daraufhin das Kuratorium der Bewerbungsgesellschaft.
Für die Bewerbungsgesellschaft arbeiten aktuell 32 fest angestellte Personen. Zwar fehlen noch mehrere Millionen Euro, um das Budget von 33 Millionen Euro zu erreichen, doch das Team arbeitet mittlerweile recht professionell; insbesondere die ehemalige Eiskunstlauf-Olympiasiegerin Kati Witt hat die Bewerbung noch einmal nach vorn gebracht: Witt steht für die emotionale Komponente: "Durch Olympische Spiele entstehen gemeinsame Momente, die alle Menschen teilen", sagte sie vor Kurzem bei einer Diskussion - das Publikum war entzückt.
Am besten gar nicht mehr sprechen soll dagegen der Garmischer Bürgermeister Thomas Schmid. Nach taz-Informationen hat die Bayerische Staatskanzlei dem ehemaligen Diplomaten Schmid einen regelrechten Maulkorb verpasst. Das hält Schmid, der dem Christlich-Sozialen Wählerbündnis vorsteht, aber nicht davon ab, weiter seine Art Politik zu machen. Olympia hält den Ort seit Monaten auf Trab - der Gemeinderat wird nächsten Mittwoch trotzdem nicht über das Thema diskutieren, Schmid will es nicht. Dafür genehmigte er vor Kurzem Plakate, die sich klar gegen die Olympiagegner richten.
Morddrohung im Sommer
Olympiagegner Axel Doering (63) arbeitet seit 1972 als Förster in Garmisch-Partenkirchen und muss wegen Olympia einiges aushalten - im Sommer bekam er eine Morddrohung, vor Kurzem verglich ihn ein Mitbürger mit Goebbels. "Da habe ich dann Strafanzeige gestellt", sagt Doering. Die vergangenen Wochen seien insgesamt sehr an die Substanz gegangen. Drei Flyer haben die Olympiagegner in Umlauf gebracht. Die Olympiabefürworter dagegen glänzen mit aufwendigen Broschüren und Anzeigen.
Sein Anliegen hat Axel Doering oft vor Augen - als Förster ist er auch für die bekannte Kandahar-Abfahrt zuständig. Selbst die notwendige Rodung im Vorfeld der Ski-WM hat Axel Doering geleitet. "Meine persönlichen Befindlichkeiten spielen da keine Rolle", sagt der Olympiagegner pragmatisch. 2018 wird Doering in Ruhestand sein. "Wenn die Spiele kommen, muss dann jemand anderes die Kandahar umbauen", sagt Förster Doering mit ruhiger Stimme. Er hofft, dass es nicht so weit kommt, dass die Bürger am Sonntag mit ihrer Stimme das Thema Olympia beenden. Ansonsten setzt er auf den 6. Juli, wenn das IOC entscheidet: Aktuell gilt Pyeongchang in Südkorea als der Favorit schlechthin - dort gibt es keinen Widerstand gegen Olympia.
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