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■ Olympias Sieger: Ein Athlet, der Bewegung vermeidetWang Tao (macht allen Mut)

Unsereiner, zu dünn und schlaksig, zu klein und pummelig für Fußball, unsereiner wurde in der Jugend gerne zum Tischtennis abgeschoben. Ein netter Sport: Nicht allzu anstrengend, verlangt keine große Ausdauer und findet nicht im unwirtlichen Freien statt. Komisch war nur, daß an der Weltspitze immer keiner von uns übrig blieb. Spitzentischtennisspieler sahen genauso langweilig aus wie sonstige Spitzenathleten: Zwar nicht so muskelbepackt, aber doch wohlproportioniert. Bronzemedaillengewinner Jörg Roßkopf schien uns all die Jahre sogar übertrieben austrainiert, wo doch jeder weiß, daß hartes Schmettern allein von der Technik und nicht von der

Pummel: Wang Tao Foto: Archiv

Kraft abhängt. Hofften wir zumindest.

Doch Tischtennis verleugnet seine Tradition als Sport der nicht nach Reißbrett Gebauten. Wenn es da nicht Wang Tao gäbe. Der Mann hat eine Figur wie Bob Hoskins, verweigert beständig jede überflüssige Bewegung und soll in seiner Freizeit gerne Zigarettchen schmauchen. Bewundernswert sein Verhalten im fünften Satz des Finales, als er schnell 1:9 zurücklag und dann seine Abscheu ausdrückte, indem er nahezu regungslos den Satz wegschenkte. Den Entscheidungssatz eines olympischen Endspiels! Während Olympiasieger Liu Guoliang hektisch umherhoppelt, haut er die Bälle lustlos gegen die Umrandung!

Wang Tao gibt uns, den Minderbemittelten, den zutiefst Durchschnittlichen, die Hoffnung zurück, daß es jeder schaffen kann. Nur an unseren Reflexen müssen wir vielleicht noch ein wenig arbeiten. Wo ist bloß mein Schläger geblieben? Thomas Winkler

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