■ Olympias Sieger: Die Überraschten gewinnen wahres Glück: Swetlana Masterkowa und Frank Busemann
Sportler, die lediglich ihr Soll erfüllten, um dafür die erwartete Medaille zu kriegen, sind mir im allgemeinen egal. Denn der Sportler soll nicht nur gut sein, er soll über sich hinauswachsen, die Medaille soll ihn als Geschenk treffen und auszeichnen. Denn erst dem glücklich überraschten Sieger gelingt es, das glückliche Gesicht zu zeigen, das der Zuschauer sehen will.
Die russische Mittelstrecklerin Swetlana Masterkowa, die gegen die favorisierten Quirot und Mutola den 800-m-Lauf gewonnen hatte, weil die beiden nur aufeinander geachtet hatten, war vielleicht die schönste Gewinnerin. Nach ihrem Sieg lief sie überglücklich eine Ehrenrunde, nach der
Glücklicher Busemann Foto: AP
Ehrenrunde legte sie noch einen 100-Meter-Spurt hin. So als wollte sie demonstrieren, daß sie alles Menschlich-Beschränkte längst hinter sich gelassen hätte. Die 1.500 m gewann sie auch noch. Mehr Beachtung fand der überraschende Zehnkampf-Silbermedaillengewinner Frank Busemann. Auch er wirkte sehr sympathisch. Ohne Rücksicht auf etwaige Haltungsnoten schleuderte er seinen Körper über die Stabhochsprunglatte. Vor allem war der Recklinghäuser nach seinem 1.500-Meter- Lauf fast tot. Erschöpft auf dem Boden liegend hatte er „gedacht, jetzt gehen die Glocken aus“.
Das ist schön und verbürgt, daß der Athlet mehr geleistet hat, als vernünftigerweise zu erwarten war. Der Zusammenbruch war der Preis für sein Glück. Und das Glück, das er kriegte, war größer als die Anstrengungen, die er jahrelang unternommen hat. Und alles fand wohl in einer spaceigen Parallelwelt statt. Immer wieder sagte der Recklinghäuser jedenfalls: „Ich denke die ganze Zeit, ich müßte jetzt doch mal das Video ausschalten.“ Glücklich und überrascht verkündete auch der grauhaarige Mann im Fernsehen, daß selbst die „Lindenstraße“ weniger Internet-Anfragen hätte, als sie das ZDF-Olympiastudio hatte. Alle Achtung. Detlef Kuhlbrodt
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