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■ Olympias Sieger: Der Japaner, der die Angst überwandHiroyasu Shimizu (hält den Druck aus)

Sollte er nun lachen oder weinen? Hiroyasu Shimizu vergrub erst mal den Kopf in beiden Händen, als bräuchte er einen Augenblick der Besinnung inmitten der 10.000 in Ekstase geratenen Zuschauer in der M-Wave-Arena. Dann erst entlud sich in einem einzigen Schrei all die Spannung, unter der die auf nur 162 Zentimeter verteilten 81 Kilogramm des japanischen Eisschnelläufers fast zerplatzen wollten. So schilderte der 23jährige aus Obihiro später das Gefühl, das ihn nach Passieren der Ziellinie gepackt hatte. Olympiasieger im 500-m-Sprint, vor den Augen von Kronprinz Naruhito den Erwartungen seiner Landsleute gerecht geworden, und nicht Oho: Shimizu zwischen kanadischen MedaillistenFoto: AP

zuletzt sich selbst den großen Traum erfüllt. Auf der Tribüne weinte die Mutter, und unten lief der Sohn Ehrenrunden. Nur seinen größten Wunsch, den konnte Shimizu niemand erfüllen. „Ich wollte“, sagt er, „ich könnte das meinem Vater erzählen.“ Der aber ist vor acht Jahren gestorben.

Seit Japan 1928 erstmals an Winterspielen teilnahm, gewann es nur 19 Medaillen, und Shimizu ist sogar erst der zweite Sohn Nippons, der eine Einzelgoldmedaille holen konnte. Der erste war Skispringer Yukio Kasaya, der 1972 in Sapporo Olympiasieger wurde und seither ein Volksheld in der Heimat ist. Die beiden anderen Goldplaketten gingen 1992 und 1994 an die Mannschaft der Nordischen Kombinierer um jenen Kenji Ogiwara.

Für das Selbstvertrauen der japanischen Sportler sei Hiroyasus Triumph „ein riesiger Ansporn“, erklärt sein Coach Tadao Ishihata, weil er gezeigt habe, „wie man mit dem Druck des Favoriten umgeht“. Oft genug hatten Japaner in entscheidenden Situationen die Nerven verloren, so etwa Skispringer Masuhiko Harada vor vier Jahren im letzten Sprung des Teamwettbewerbs. „Shippai suru nodewa“ heißt auf japanisch die Angst vor dem Versagen. Der stolze Ishihata: „Hirosayu hat sie besiegt.“ Ralf Mittmann

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