Olli Pocher als Stauffenberg: Jenseits der Gosse
Nicht lustig: Der SWR will Oliver Pocher wegen seines Auftritts als Stauffenberg aus dem Ersten kegeln.
Nazometer, Scheidensekret, Stauffenberg - es ist eine Reihe der Enttabuisierung, des Ekels, der Entgleisungen. Wieder und wieder schockiert und provoziert Oliver Pocher in der Show "Schmidt & Pocher" im Ersten den braven Fernsehbürger. Doch wohl nicht mehr lange, wenn es nach den bravsten Fernsehbürgern geht. Die wohnen im Südwesten der Republik, wo die Welt heiler ist als anderswo. Dort ist der Südwestrundfunk die Interessenvertretung für Recht und Moral, wenn die katholische Kirche in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gerade mal anderweitig beschäftig ist.
Und der SWR ärgert sich. Sehr. Pfui. Der böse Blödelbube Pocher hat nämlich den deutschen Helden Stauffenberg beziehungsweise Tom Cruise, was inzwischen ja ein und dasselbe ist, ja, was denn, nun ja: veräppelt.
Jedenfalls ist er in der Show am Donnerstagabend als Stauffenberg aufgetreten, in Uniform und mit Augenklappe, und schon mal zuvor am roten Teppich bei der Premiere von Will Smith Film "Sieben Leben".
Nicht lustig, sagt der Fernsehausschuss des SWR, der jetzt bei seiner Sitzung wieder mal Zeit zum Reden und Empören hatte. Man wolle das Thema am 27. März in der ARD-Rundfunkratssitzung mit Programmchef Volker Herres erörtern, sagte der Vorsitzende des SWR-Landesrundfunkrats, Volker Stich, der dpa. Herres will Pocher im Ersten halten, doch da ist der SWR vor.
"Die überwiegende Mehrheit von uns, bestimmt 80 bis 90 Prozent, ist der Meinung, dass Herr Pocher der ARD nicht guttut", so Stich. Es ist aber auch zu ärgerlich. Gerade wurde mal dank Hollywood ein deutscher Held hochgepäppelt, da kommt wieder einer daher und macht sich lustig. Und der sieht sogar auch noch aus wie Tom Cruise wie Stauffenberg.
Es ist nicht das erste Mal, dass Pocher nach Ansicht des SWR das Fernsehen besudelt. Vor zwei Jahren ärgerte sich SWR-Intendant Peter Boudgoust, der inzwischen auch ARD-Vorsitzender ist, über den "Nazometer", mit dem Schmidt und Pocher Begriffe wie "Duschen" auf ihren Nazireferenzgehalt prüften. Der SWR war empört. Fast mehr noch über die Show, in der Rapperin Lady Bitch Ray "obszöne" Dialoge und ein Döschen mit Intimsekret darreichte. "Degoutante Ausrutscher", empörte sich Therese Wieland, die die katholische Kirche im SWR-Rundfunkrat vertritt. Da seien Ausdrücke gefallen, "die sonst nur in der schlimmsten Gosse" zu hören seien. Mit der Gosse kennt man sich aus im SWR-Land, sie liegt in Stuttgart-Raitelsberg und ist etwa drei Meter lang. Auch NS-Gegner wie Stauffenberg gab es im Musterländle ja reichlich, Ministerpräsident Oettinger kann bestimmt mindestens einen nennen, unumstritten.
Humoristisch bewegt sich der SWR lieber irgendwo zwischen "Hannes und der Bürgermeister" und dem "Narrentreffen in Bad Cannstatt". Und für Enttabuisierung, Ekel und Entgleisung bietet er ein Alternativprogramm: "Die Fallers", "Die 100 größten Rheinland-Pfälzer" und "Eisenbahn-Romantik".
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