Ohrfeige für CDU in Niedersachsen: Gesamtschule wird beste Schule

Die Robert-Bosch-Gesamtschule Hildesheim gewinnt den deutschen Schulpreis. Prompt mag Niedersachsens Schulminister Busemann die Einheitsschule wieder.

Plötzlich der Stolz der CDU in Niedersachsen: Robert-Bosch-Gesamtschule in Hildesheim Bild: dpa

BERLIN taz So viele niedersächsische CDU-Größen wurden noch nie auf einmal in einer Gesamtschule gesichtet. Als die Robert-Bosch-Gesamtschule aus Hildesheim den Deutschen Schulpreis gewann, stürmten die Unionsleute die Tribüne - um beim Siegerfoto mitstrahlen zu können. Allen voran Bernd Busemann, Schulminister aus Niedersachsen, auch Finanzminister Hartmut Möllring und der Bundestagsabgeordnete Eckart von Klaeden drängten sich eng an eng mit den Schülern. Die Integrierte Gesamtschule im Hildesheimer Norden gewinnt 50.000 Euro - und darf sich ein Jahr lang die beste Schule Deutschlands nennen.

Am Montag heimsten insgesamt fünf Schulen deutsche Schulpreise ein. Neben der Hildesheimer Penne bekommen die Helene-Lange-Schule in Wiesbaden, die Montessori-Oberschule aus Potsdam, die Carl-von-Linné-Förderschule in Berlin und das Schiller-Gymnasium in Marbach so genannte Anerkennungspreise - immerhin noch jeweils 10.000 Euro wert.

Der Gewinn des Schulpreises, um den sich 170 Schulen aus Deutschland beworben hatten, ist Anerkennung für ein gelungenes Konzept der Gesamtschule. Die Robert-Bosch-Schule hat über 1.300 Schüler, teilt ihre Lerneinrichtung aber in drei kleine Schulen: Die Jahrgänge fünf bis sieben, acht bis zehn und die Oberstufe formen jeweils eine Schule. Die einzelnen Jahrgänge werden von Lehrerteams betreut, das heißt es gibt nicht mehr die Einzelkämpfermentalität, die sonst gerne unter Lehrern herrscht. "Auch ältere Kollegen öffnen ihren Unterricht, damit man bei ihnen hospitieren kann", erklärt Hans Georg Henkel eines der Rezepte. Seine Biologie-Kollegin Vivienne Wersebe hingegen rückt etwas anderes in den Vordergrund: "Wir bringen die Schüler dazu, dass sie selbstständig lernen und arbeiten können."

Der Gewinn des Schulpreises ist aber auch eine Ohrfeige für die Landes-CDU. Die hatte nach der Machtübernahme in Niedersachsen lange überlegt, den Gesamtschulen das Licht auszuknipsen. Dann verabschiedete sie ein gesetzliches Verbot für neue Gesamtschulen - das sie erst vor wenigen Wochen wieder aufhob. "Unsere Schullandschaft ist jetzt in so einem guten Zustand, dass wir auch wieder Gesamtschulen zulassen können", lautete gestern Bildungsminister Bernd Busemanns Begründung für die großzügige Rücknahme des Anti-Gesamtschul-Ukas. "'Gesamtschule muss weg' war nie meine Position", sagte Busemann der taz. Die Bosch-Schule könne Vorbild sein für andere Schulen in Niedersachsen - vor allem wegen ihrer Eigenständigkeit. "Und wegen unserer Widerständigkeit", ergänzten die Gesamtschulpauker den Minister.

Der Schulpreis war erneut Balsam auf die geschundene Schulseele. Nach dem neuerlichen Pisaschreckchen von vergangener Woche stellten sich im Hauptstadtstudio des ZDF zehn exzellente Schulen vor. "Wir müssen deutlicher sagen, dass Schule gut ist", meinte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU). Der Vorsitzende der Jury Peter Fauser sagte: "Die machen Schule ganz anders, da steht nicht mehr die Belehrung im Vordergrund, sondern die Konzentration auf das individuelle Lernen. Am liebsten würde ich lauter Doktorarbeiten über diese Schulen schreiben lassen", so der Pädagoge aus Jena.

Zum ersten Mal schaffte es auch ein Gymnasium unter die Preisträger. Das Friedrich-Schiller-Gymnasium in Marbach allerdings, ein Koloss mit 2.000 Schülern, zeichnet sich dadurch aus, dass es die höchsten gymnasialen Tugenden des Aussortierens praktisch abgeschafft hat. "Alle Schüler kommen ans Ziel", nennt Rektor Günter Offermann das Leitmotiv seiner Schule. Dazu hat sich das Gymnasium eine beeindruckende Zahl an Fördermaßnahmen ausgedacht. Zum Beispiel bleiben nur 0,7 Prozent der Schüler sitzen, weil sie die Chance haben in einer Sommerschule das verhauene Fach wieder auszugleichen.

In der Schiller-Schule gibt es auch Mathe-Tutorien in der Oberstufe. Dabei unterstützen gute Zwölft- und 13.-Klässler kleine Gruppen von Mitschülern, ähnliche Schüler-für-Schüler-Hilfe gibt es für die unteren Jahrgangsstufen. "Wir gehen aber auch rüber in die Haupt- und Realschule, um dort Nachhilfe zu geben", sagte Schulsprecher Constantin Hoferer. Rektor Offermann verriet, was seine Schule ausmacht: "Wir sind das Gymnasium der Zukunft. Denn wir machen das, was man von einer Gesamtschule erwartet: Individuell fördern. "

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