■ Mit Moskaus Carepaketen auf du und du: Ohne Reform kein Cent
Berlin (taz) – Keine Bank dieser Welt borgt heute einer Regierung noch Geld, wenn die strengen Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF) ihren Daumen senken. Und diese wollen, wie inzwischen jeder Kassenwart weiß, vor neuen Krediten erst einmal Taten sehen. Wer glaubte, die multilaterale Finanzinstitution werde bei Rußland eine Ausnahme machen, der sieht sich getäuscht – besonders seit sich die neue Regierung anschickt, die makroökonomischen Stabilisierungversuche zu kippen. Unzweideutig hat IWF-Generaldirektor Michel Camdessus zum Auftakt neuer Gespräche mit den Kreml-Abgesandten klargelegt, daß eine Aufweichung der heftig umstrittenen Kreditbedingungen nicht in Frage komme. Erst wenn die russische Regierung ein glaubwürdiges Programm über weitere Antiinflationsmaßnahmen, die kontinuierliche Fortsetzung struktureller Reformen und die Schaffung einer sozialen Absicherung vorgelegt hat, lasse sich über die zweite Sonder-Kredittranche von 1,5 Milliarden US- Dollar reden. Bereits im September ließ Camdessus Premier Victor Tschernomyrdin abblitzen: Eine völlig außer Kontrolle geratene Inflation, immer neue Kredite der russischen Zentralbank und ein gigantisches Budgetdefizit – das sei wohl nicht das richtige Ambiente für neue IWF-Milliarden. – Daß die neue Regierung auf eine „nichtmonetaristische“ Retusche der angeblichen „Schocktherapie“ setzt, muß den Meisterdenkern aus Washington schwer aufgestoßen sein. Fast persönlich beleidigt stellte Camdessus fest, der Fonds müsse nun wie früher, als er als „Zielscheibe“ der Kritik an der Finanzpolitik der reichen Industriestaaten diente, als „Sündenbock“ für die russische Reformmisere herhalten. Nur 2,5 Milliarden US-Dollar hat der Executive Board, das oberste IWF-Gremium, in den letzten beiden Jahren für die Reformer in Moskau lockergemacht – und das vor allem aus geopolitischen Erwägungen der G-7-Staaten heraus. Angesichts der ursprünglich zugesagten 13 Milliarden sei das viel zuwenig, sagen die Kritiker. Um die soziale und politische Situation zu stabilisieren, so der Harvard- Ökonom Jeffrey D. Sachs, müsse der Fonds schon in der frühen Reformphase die Gelder verteilen und nicht erst als Belohnung für erbrachte Leistungen aussetzen. Doch Rußland ist für den IWF wahrscheinlich eine Nummer zu groß. Und solange westliche Regierungschefs glauben, der Zuspruch zu den Reformen und der soziale Konsens in Rußland könnten mit billigen Krediten erkauft werden, wird sich diese Politik als Fiasko erweisen. Erwin Single
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