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Archiv-Artikel

Ohne Antwort im Abstiegskampf

Borussia Mönchengladbach kann auch das zweite Abstiegsendspiel vor heimischer Kulisse nicht gewinnen. Die lethargische Art der Niederlage gegen Wolfsburg sorgt für Verunsicherung

„Auf solche Dinge werden sie auch in 50 oder 100 Jahren keine Antwort finden“, meinte Trainer Holger Fach

AUS MÖNCHENGLADBACHDANIEL THEWELEIT

In der 80. Minute gab es am Mönchengladbacher Bökelberg nur einen Ort, an dem richtig Betrieb herrschte: auf den Treppen und an den Ausgängen des alternden Stadions. Zwar lag die Borussia zu diesem Zeitpunkt mit 0:2 gegen den VfL Wolfsburg in Rückstand, aber nach einem Platzverweis für Pablo Thiam war das Team in Überzahl und in zehn Minuten kann eine Menge passieren, wie der geneigte Fußballfan weiß. Immerhin gehört es in dieser Saison zu den Stärken der Borussia, Rückstände aufzuholen. Aber durch die Luft über Fußballstadien schwirren eben bisweilen atmosphärische Signale, die andere verlässliche Schlüsse zulassen. „Der Glaube war weg, das haben wir gespürt und das hat das Publikum gespürt“, beschrieb Joonas Kolkka hinterher diese letzten zehn Minuten des Gladbacher Spiels, die, wie schon in den 60 Minuten zuvor, frei waren von jeder Inspiration und Überzeugungskraft. „Da kommt das 0:1 und das 0:2 und einfach keine Reaktion von uns“, rätselte Thomas Broich über die Lethargie seiner Mannschaft, die ohne jede Ankündigung aus dem heiteren Frühjahrshimmel über das Team hereingebrochen war.

Nur in den ersten 20 Minuten dominierten die Gladbacher den VfL Wolfsburg, der es vor dieser Partie auf gerade einmal vier Auswärts-Punkte gebracht hatte. Doch ein Pfostenschuss von Kolkka und Bradley Carnells Großchance reichten nicht zur Führung. Wie danach diese kräftige Dosis Betäubungsmittel in die Arterien der Gladbacher gelangte, blieb auch nach Spielende rätselhaft. „Auf solche Dinge werden sie auch in 50 oder 100 Jahren keine Antwort finden“, meinte Trainer Holger Fach, und sprach von „Verkrampfung“, „Angst“ und „nervlichen Problemen, mit Situationen umzugehen, wenn die Mannschaft einen Matchball verwandeln kann“.

Mit zwei Heimspielen gegen die Mitkonkurrenten Berlin und Wolfsburg vor der Brust hatte der Trainer nach dem 2:1-Sieg in Rostock schon verkündet, er sei „hundertprozentig sicher“, dass die Klasse gehalten wird. Torhüter Jörg Stiel äußerte am Samstag offen Kritik an dieser Aussage. „Ist das nicht typisch für Deutschland? Wird hier nicht Vieles viel zu schnell viel zu hoch gekocht?“, fragte er genervt zurück, als er auf die allzu optimistische Prognose seines Trainers angesprochen wurde. Nun, nach nur einem Punkt aus zwei Partien am Bökelberg und angesichts des geschrumpften Abstandes auf die Abstiegsränge meinte Fach: „Die Mannschaft ist jetzt zwei Mal nicht mit der Möglichkeit klar gekommen, den Sack zu zu machen. Jetzt sind wir wieder unter Druck und müssen sehen, ob wir mit dieser Situation besser zurecht kommen.“

Möglicherweise ist es schlicht ein wenig verwirrend, in welch schnellem Rhythmus sich die Einschätzungen zu Potenzial und Perspektiven des Teams ändern. Bis in den Winter hinein wurde nach zwei besseren Spielen im Präsidium offen vom Uefa-Cup geredet, zwischendurch tauschte man aber den Trainer aus, um dann im Pokalhalbfinale in Aachen tatsächlich eine sehr gute Chance auf die Teilnahme am Europapokal zu verschenken. Nach dem Sieg in Rostock schrieben die Lokalblätter vom UI-Cup und nun steckt die Mannschaft in der tiefsten Abstiegsproblematik. Viele von den Fans in der Nordkurve jedenfalls reagierten nach der Niederlage mit üblen Beschimpfungen auf dieses ständige Neu-Justieren der eigenen Hoffnungen.