: „Oh, see – the King“
ROMANTIK Massen-Traumhochzeit mit König Ludwig. 39 chinesische Paare heiraten in Füssen im Ostallgäu
Welche Kulisse! Im Hintergrund das Märchenschloss Neuschwanstein, eine saftig-grüne Allgäuer Wiese und darin tummeln sich emsig 39 Hochzeitspaare und im Reich der Mitte ein Oldtimer, ganz zufällig vorbeigekommen. Und noch was – besser gesagt: noch wer – ist da. Der Märchenkönig persönlich (gedoubelt vom Opernsänger Siegfried Heer). „Oh, see – the King“ – ein Raunen geht durch die Reihen der Hochzeiter. Für 2.500 Euro haben sie sich eine Traumreise gekauft. Erste Station Paris, zweite Station Füssen. Hier gibt es die Massenzeremonie mit Heiratsurkunde. Dann geht’s weiter nach Salzburg, Zürich und halt „a bisserl Europa-Hopping“.
Zhang Bo und seine Angetraute Fan Xiaosing blicken sich überglücklich in die Augen. „Das ist ein bedeutungsvoller Tag für mein Leben“, schwärmt der junge Bräutigam, und seine Angebetete haucht: „Ja! Ja, es ist so schön, diese prächtigen Bauwerke, es ist ein Traum, als Kind habe ich solche Märchen erzählt bekommen.“ Im prächtigen weißen europäischen Hochzeitskleid steht sie da vor dieser Prachtkulisse im Königswinkel, „it’s a dream“ ist von den überall herumhuschenden Paaren zu hören, die ein wenig Englisch sprechen. Der Dolmetscher räumt ein, dass die originalen Hochzeitsgewänder daheim schon ein wenig anders aussehen.
Die vielen Fotografen und das chinesische Kamerateam kommandieren: „Lächeln! Die Männer hinter die Frauen, jetzt die Tauben!“ Dann öffnen sich die Käfige und im Innenhof von St. Mang steigen die Tauben auf, Hochzeitstauben. Der „Kini“ lässt sich noch einmal und noch einmal mit den Bräuten und ihren Gatten fotografieren. Bürgermeister Paul Iacob schwärmt von seinem romantischen Füssen. Als erstes Brautpaar überhaupt hätten seine Frau und er im Fürstensaal geheiratet.
Jetzt zieht es jedes Jahr immer mehr Japaner, Australier und Chinesen hierher zur Massenhochzeit.
Die Großzeremonie vom Juni 2009 schlägt alles bislang Dagewesene. 39 Paare, so viel waren es noch nie. Überall flattern die Brautkleider, werden Hochzeitssträuße in die Höhe gereckt, es wird gejubelt und – ein wenig zurückhaltend – gebusselt in der „deutschen Perle der Romantik“. Kein Mensch redet darüber, dass im Mai elf chinesische Paare mehr, also 50 insgesamt, in der Loire in Frankreich schon eine solche Foto-Hochzeit gefeiert haben. Hier zählt nur der bayerische Königswinkel.
Irgendwann war der Moment gekommen, wo Zeremonienmeister Peter Steiger die weltweit immer gleiche Frage stellte: „Wollen Sie die anwesende Braut zu Ihrer Frau nehmen, dann antworten Sie mit Ja!“ Kaum ist die ganz große Frage gestellt, schallt es durchs sonnendurchflutete Füssen „Ja“ und kurz darauf, mit dem gleichen chinesischen Slang: „Yes, we will!“ Kaminkehrer stehen als Glücksbringer dabei, jedes Paar bekommt eine Füssener Hochzeitsurkunde. Was sie nicht wissen: Bei der Serien-Hochzeit 2008 mit 32 Paaren ist noch jedes einzelne Brautpaar persönlich gefragt worden, diesmal war’s quasi eine Gruppenfrage.
Das richtige, das auch nach chinesischem Recht gültige Ja, das haben sich die 39 Paare freilich schon in ihren Heimatprovinzen im Reich der Mitte gegeben. Xiaosing schnappt sich ihren Bo, murmelt noch ein höfliches „Thank you“ und entschwindet flugs in einem von zwei großen Reisebussen. Eine ältere Dame schwärmt: „Mei, ist des schee“, und eine andere nimmt ihren Mann noch fester an der Hand. „Wir hatten schon unsere goldene Hochzeit, aber so was haben wir noch nicht gesehen.“
Dann kommen zwei fesche Allgäuer Mannsbilder in Allgäuer Tracht, die Ziehharmonika und Gitarre werden ausgepackt und es wird auf der Wiese vor Neuschwanstein getanzt. Der „Kini“ ist auch wieder da, Sisi posiert am Rande des Geschehens, die Sonne lacht über dem Tegelberg, und immer wieder wandern die Blicke von den vielen chinesischen Hochzeitspaaren hoch zum Märchenschloss.KLAUS WITTMANN