: Offshore im Sinkflug
Anlagen an Land rücken wieder stärker ins Blickfeld – vor allem der Austausch alter kleiner Maschinen durch neue leistungsstarke Rotoren hat viele Vorteile und soll die Windkraft voranbringen
VON BERNWARD JANZING
Die Windkraftbranche in Deutschland hat einen Strategiewechsel vollzogen. Nachdem die Offshore-Windkraft über Jahre hinweg als die große Hoffnung unter den erneuerbaren Energien galt, bringen nun Freunde der Windkraft die Rotoren an Land wieder vermehrt ins Spiel: Im sogenannten Repowering, der Substitution von Altanlagen durch erheblich leistungsstärkere Maschinen, soll das wesentliche Ausbaupotenzial der kommenden Jahre liegen.
Dass auf den Meeren – auch im deutschen Seegebiet – starke Winde üppige Stromerträge bringen können, ist zwar weiterhin unstrittig. Doch es wird in jüngster Zeit immer deutlicher, dass bei den in Deutschland aktuell herrschenden Einspeisevergütungen die Anlagen keine ausreichende Rendite abwerfen, um Investoren den Weg aufs Wasser wirklich schmackhaft machen zu können.
„Offshore-Windenergie wird und muss kommen, aber die große Euphorie ist vorbei“, sagt Matthias Hochstätter, Sprecher des Bundesverbands Windenergie (BWE). Die Ziele, die die Politik in den vergangenen Jahren vorgegeben habe, seien einfach zu hoch gewesen.
Zwar machte die Bundesregierung im vergangenen Herbst immerhin die „Steckdose auf dem Meer“ zur Vorschrift. Damit sind die Stromkonzerne für die Kabelverlegung vom Festland zu den Windparks verantwortlich – was die maritimen Windmüller von einen gehörigen Kostenblock befreit.
Und dennoch reichen die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegten Vergütungssätze nicht aus, wie sich immer deutlicher zeigt. Das Gesetz garantiert für die Produktion einer Kilowattstunde Offshore-Strom derzeit eine Einspeisevergütung in Höhe von 9,1 Cent. In anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien werden hingegen 13 bis 15 Cent gezahlt. Auch im Bundesumweltministerium (BMU) hat man erkannt, dass die Offshore-Windkraft „mit den Genehmigungen der beantragten Standorte zum Stillstand gekommen“ ist, weil „primär ökonomische Gründe eine Realisierung der Vorhaben bisher verhinderten“. Denn der erhöhte Bau- und Unterhaltsaufwand auf See wird durch die nur geringfügig höhere Einspeisevergütung nicht ausgeglichen. Und so spricht sich das BMU im aktuellen Erfahrungsbericht zum EEG dafür aus, dass für Anlagen auf See der Anfangsvergütungssatz für die ersten 12 Jahre angehoben wird. Angemessen sei ein Wert „in einer Bandbreite von 11 bis 14 Cent je Kilowattstunde“, womit sich Deutschland „im europäischen Vergleich noch immer im unteren Drittel bewege. Doch da eine EEG-Novelle vermutlich erst im Jahr 2009 in Kraft treten wird, werden die Offshore-Pläne in deutschen Gewässern einstweilen noch ruhen. Der BWE rechnet nun damit, dass in den kommenden Jahren in Deutschland jährlich 2.000 Megawatt zusätzlicher Windkraftleistung an Land errichtet werden, während es auf dem Wasser erst langsam los gehen wird. „Vielleicht werden wir 2015 bei 5.000 Megawatt Offshore-Wind sein“, sagt BWE-Sprecher Hochstätter. Und bis 2020 seien aus heutiger Sicht sogar 10.000 Megawatt realistisch. Frühere Prognosen der Bundesregierung, die bis 2020 noch von 20.000 Megawatt ausgingen, könne man sich unter den aktuellen Rahmenbedingungen aber „abschminken“. Das größere Potenzial mit rund 45.000 Megawatt bis 2020 liege nach wie vor an Land. Eine Einschätzung, die auch andere Kenner der Energielandschaft inzwischen teilen: „Die Zukunft der Windenergie liegt im Binnenland“, sagt auch Hermann Scheer, Präsident der Vereinigung Eurosolar.
International ist die Stimmung in der Offshore-Branche deutlich besser. Die European Wind Energy Association (EWEA) schätzt, dass in Europa noch in diesem Jahrzehnt 10.000 Megawatt Offshore-Leistung installiert werden, bis 2020 sollen es 70.000 Megawatt sein. Während sich in deutschen Meeren bisher noch keine Anlage dreht, laufen in den Seegebieten vor Dänemark, Schweden, Großbritannien und Irland bereits mehr als 300 Rotoren mit zusammen 600 Megawatt. An den Genehmigungsbehörden in Deutschland liegt es nicht. Mittlerweile wurden 19 Projekte in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Bundesrepublik Deutschland genehmigt, 16 in der Nordsee, und drei in der Ostsee. Abgelehnt wurden bisher erst zwei Ostseeprojekte aus Gründen des Vogelschutzes. Beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie laufen derzeit für insgesamt 41 Offshore-Windparks Genehmigungsverfahren (35 in der Nordsee, 6 in der Ostsee). Das größte Projekt soll im Endausbau eine Leistung von 2.000 Megawatt haben – so viel wie zwei Atomkraftwerke. Doch ob, und wann es kommt, weiß keiner. So konzentriert sich die Branche wieder verstärkt auf die deutschen Landflächen.
Denn viele Anlagen aus den Anfängen der Windkraft – meist in den frühen Neunzigerjahren installiert – holen längst nicht den Ertrag aus dem Wind, den moderne Anlagen bringen. Wenn dann drei 250-Kilowatt-Maschinen durch eine moderne Zwei-Megawatt-Anlage ersetzt werden, verdreifacht sich der Ertrag bei gleichzeitiger Reduktion der Rotoren. Gerade auch dort, wo die Windkraft aus Gründen des Landschaftsbildes kritisch gesehen wird, kann Repowering folglich attraktiv sein. Das Potenzial ist beachtlich: In Deutschland wurden bis einschließlich 1995 mehr als 3.600 Windkraftanlagen errichtet. Diese Anlagen mit 12 und mehr Betriebsjahren gelten als die bevorzugten Anwärter für das Repowering. Die Leistung der bis 1995 errichteten Anlagen lag durchschnittlich bei rund 300 Kilowatt – heute werden im Schnitt Anlagen mit zwei Megawatt errichtet.
Unterdessen ist das Risiko groß, dass die Annahme von 2.000 Megawatt Zubau durch Repowering sich in weinigen Jahren ebenfalls als zu optimistisch herausstellen könnte. Die Zahlen des vergangenen Jahres jedenfalls machen noch nicht allzu viel Hoffnung auf üppiges Repowering: Bundesweit wurden gerade 79 Anlagen mit zusammen 26 Megawatt abgebaut, und durch 55 neue Maschinen mit 136 Megawatt ersetzt. Der Grund ist offensichtlich: Der Austausch alter Rotoren durch neue Anlagen bedarf der Zustimmung der Gemeinden, da Baugenehmigungen stets nur typenspezifisch erteilt wurden – und dabei stellen sich viele Kommunen bislang noch quer.