■ Offen illegale Schritte: Asyl von unten
Seit Monaten laufen Abschiebungen von Roma in großem Stil. Seit dem Rückkehrerprogramm der NRW-Landesregierung ins zerschossene Rest-Jugoslawien (Skopje) und dem Deportationsvertrag zwischen Deutschland und Rumänien mit der zynischen Begründung der „Reintegration im Herkunftsland“. Nach der Asylrechtsänderung droht eine Steigerung des gewaltsamen Exodus dieser Volksgruppe. In Köln, in Wuppertal, in Essen und vielen anderen Städten regt sich dagegen eine Form von Widerstand, die in diesem Land neu ist. Offen oder verdeckt: Deutsche bieten bedrohten Nichtdeutschen Zuflucht unter ihrem Dach: privates Asyl von unten gegen die staatliche Verfolgung. Viele Gruppen, insbesondere auch Gemeinden der evangelischen Kirche, die sich zu diesem offen illegalen Schritt durchgerungen haben, sind in der Auseinandersetzung um die ungebrochene „Zigeunerpolitik“ des deutschen Staates entstanden. Der Holocaust findet seine „demokratische“ Fortsetzung in der Nichtanerkennung dieser Verfolgtengruppe und in der rigorosen Vertreibungspolitik gegen die Überlebenden. Es ist das Entsetzen gegen diese deutsche Kontinuität und das Mitgefühl für die Verfolgten, die zum zivilen Ungehorsam treiben.
Wer in dieser beginnenden Bewegung aktiv ist, weiß, daß nicht alle die untergebracht werden können, die vom Staat nach herrschender Rechtslage ausgewiesen, abgeschoben, deportiert werden, obwohl sie an Leib und Leben bedroht sind. Aber es werden – gerade im öffentlich proklamierten Kirchenasyl – Zeichen gesetzt und nicht wenige einzelne gerettet. In der Bereitschaft, abgewiesenen Flüchtlingen eine Zuflucht zu gewähren, steckt die Aufkündigung der Gefolgschaft für eine staatliche Politik, die die herrschende Verteilung von Arm und Reich, von Krieg und Frieden auf der Welt zementiert. Und gleichzeitig die ganz praktische und handfeste Etablierung einer anderen Moral: einer Moral, die die eigene Verantwortung für weltweites Elend begreift und die deshalb verändernd eingreift.
Es ist die Frage, wie lange die staatlichen Stellen es beim Zuschauen bewenden lassen, wenn ihnen Leute mit Zivilcourage Abschiebeopfer von der Schippe holen. In Wuppertal hat die Polizei kürzlich eine Familie im Kirchenasyl verhaftet. Obwohl die Landesregierung signalisierte, sie würde die Gewissensentscheidung von Gemeinden respektieren und Menschen im Kirchenasyl nicht in Abschiebehaft nehmen. Es steht an, diese BürgerInnenbewegung schnell stark zu machen, ehe sie staatlich ausgehebelt wird. P. Jovanović, Köln, 28.7.93
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