Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Lange Zeit als verschollen galt der deutsche Historien-Stummfilm „Der Favorit der Königin“ (1922; Regie: Franz Seitz), der erst kürzlich durch eine deutsch-holländische Kooperation restauriert wurde. Die Geschichte des Films trägt sich am englischen Hofe zur Zeit der Königin Elisabeth I. (auch wenn ihr Name nie erwähnt wird) zu und handelt von allerlei Intrigen, in deren Mittelpunkt die schöne Hofdame Evelyne steht, der vom bösen Lordkanzler ebenso übel mitgespielt wird wie von der Königin selbst. Den Aufwand der großen UFA-Produktionen jener Jahre erreicht „Der Favorit der Königin“ – etwa was Bauten und Statistenheere angeht – zwar nicht, doch der Film ist gut besetzt (u. a. mit Hanna Ralph, der Brunhilde aus Langs „Nibelungen“) und – vor allem in den intimeren Dialogszenen – sehr schön fotografiert von Franz Planer, der danach noch große Karriere in Hollywood machen sollte.
1960 schrieb der amerikanische Regisseur Jules Dassin seiner späteren Gattin Melina Mercouri die Rolle der lebensfrohen Prostituierten Ilya aus Piräus auf den Leib und erzielte mit seiner kleinen 150.000-Dollar-Produktion einen Welthit, der mehr als 15 Millionen Dollar wieder einspielte. Der Erfolg ist nicht zuletzt der ansteckenden Fröhlichkeit geschuldet, mit der in „Sonntags … nie!“ die „Unmoral“ zelebriert wird: Alle Männer lieben Ilya, und Ilya liebt alle Männer. Dabei gleicht Melina Mercouri einem Naturereignis, wie sie bereits in der ersten Sequenz einen Bootssteg entlangstöckelt, sich dabei auszieht und sämtliche Hafenarbeiter dazu animiert, zu ihr ins Wasser zu springen. Damit es in ihrer glücklichen Welt aus Liebe, Sex und Freundschaft überhaupt eine dramatische Verwicklung gibt, bedarf es des amerikanischen Amateur-Philosophen Homer (Jules Dassin), der aus Ilya eine „neue Frau“ machen will und damit glorreich scheitert. Denn die alte Ilya ist bereits toll genug: Wer so schöne Neuinterpretationen von griechischen Tragödien („am Ende sind alle glücklich und fahren ans Meer“) vorträgt, benötigt keine weiterführende Bildung.
In ihrem unaufgeregten Dokumentarfilm „The Weather Underground“ arbeiten die Regisseure Sam Green und Bill Siegel die Geschichte der linksradikalen amerikanischen Untergrundorganisation „The Weathermen“ auf, die Ende der Sechzigerjahre mit Bombenanschlägen in den Kampf gegen die Regierung zog. Sorgfältig wird der zeitgeschichtliche Hintergrund aufgerollt, Archivbilder dokumentieren das Selbstverständnis der Gruppe zwischen echtem politischem Anliegen und Sex & Drugs & Rock 'n' Roll. Zudem berichten die Exterroristen in Interviews von ihrem damaligen Leben: Dabei wird deutlich, wie sehr der militante Untergrund ein Produkt jener Ohnmacht war, welche die junge Generation gegenüber dem oftmals willkürlich agierenden Staat verspürte, aber auch, wie schnell man im Bewusstsein moralischer Überlegenheit die Verhältnismäßigkeit in der Wahl der Mittel zum Kampf aus den Augen verlieren kann. LARS PENNING