Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Die Produktionszeit betrug 20 Monate, der Film kostete – für das Jahr 1947 – exorbitante 4 Millionen Dollar, und der Produzent war natürlich David O. Selznick. „Portrait of Jennie“ stellte einen weiteren Versuch des exzentrischen Filmemachers dar, seine damalige Liebe Jennifer Jones groß herauszustellen. Doch Selznick war nie zufrieden: Täglich, wöchentlich, monatlich wurde irgendetwas nach- oder neu gedreht; hinzugefügt wurde schließlich auch ein Prolog, mit dem die Zuschauer auf Ungewöhnliches eingestimmt werden sollten: Zu Bildern von dramatisch dräuenden Wolkenformationen fabulierte eine Stimme aus dem Off über die verwaschene Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit. Es half nichts – das Werk wurde ein Flop. „Portrait of Jennie“ ist eine Art Gespenstergeschichte: Der erfolglose Maler Eben Adams (Joseph Cotten) lernt im New Yorker Central Park das Schulmädchen Jennie Appleton (Jennifer Jones) kennen. In Abständen trifft er das Mädchen immer wieder und verliebt sich, doch irgendetwas stimmt nicht: Jedes Mal scheint Jennie unverhältnismäßig gewachsen zu sein, zudem erzählt sie von Dingen, die sich vor vielen Jahren zugetragen haben, als seien sie gestern passiert. Als Adams Nachforschungen anstellt, muss er erkennen, dass Jennie bereits seit zwanzig Jahren tot ist. Geschickt verwebt der Film die Liebes- mit der Künstlergeschichte: Als Adams seine Frühwerke einmal einer Galeriebesitzerin (Ethel Barrymore) zeigt, erkennt diese sofort, was seinen Bildern fehlt – die Liebe. Als Adams schließlich das Porträt seines Phantoms malt, schafft er sein erstes Meisterwerk, doch zugleich wird er vollkommen von Jennie abhängig: Sie ist seine einzige Inspiration. Realität, Fantasie, Gemälde – die Übergänge sind fließend, und immer wieder findet Kameramann Joseph August neue Variationen irrealen Lichts, in dem Jennie jeweils erscheint oder verschwindet.
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Auch der Surrealist Luis Buñuel mochte „Portrait of Jennie“ sehr gern. In seiner Autobiografie, die er seinem Freund und Mitarbeiter Jean-Claude Carrière diktierte, erzählte der Regisseur, dass Selznick ihm ob dieser öffentlich geäußerten Vorliebe einstmals einen Dankesbrief schrieb. Nun hat Carrière seine eigenen Betrachtungen zum Kino in dem Buch „Der unsichtbare Film“ niedergeschrieben, das am 1. 11. im Gespräch mit Volker Schlöndorff im Arsenal vorstellen wird. Anschließend gibt es Louis Malles Komödie „Milou en mai“ zu sehen, die von den absurden Reaktionen einer spießbürgerlichen Familie auf die Mairevolte 1968 handelt und für die Carrière das Drehbuch schrieb.
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Die schönsten Aufnahmen eines Vorkriegs-Berlin um den „Alex“ bietet Gerhard Lamprechts Verfilmung von Kästners Klassiker „Emil und die Detektive“. Emil, Gustav mit der Hupe und Pony Hütchen sind wie immer auf der Jagd nach Herrn Grundeis, der Emils Geld stibitzt hat: ein Abenteuerspiel, das gelegentlich den garstigen Humor von Drehbuchautor Billy Wilder durchscheinen lässt. LARS PENNING