Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Einen bösen Film über bürgerliche Doppelmoral schuf Billy Wilder 1964: In „Kiss Me, Stupid!“ spielt Dean Martin den Las-Vegas-Entertainer Dino Martini, der außer Alkohol und Sex nicht viel im Kopf hat und passenderweise in einer Kleinstadt namens Climax in Nevada strandet. Dort sehen der Tankwart Barney Millsap und der Musiklehrer Orville N. Spooner nun die große Chance, dem Showstar ihre selbst geschriebenen Songs zu verkaufen – wozu sie Martini allerdings erst einmal in Spooners Haus bekommen müssen. Zudem ist ihnen klar, dass der Frauenheld (der Kopfschmerzen bekommt, wenn er nicht täglich Sex hat) zweifellos die attraktive Gattin des Musiklehrers verführen würde. So kommen sie auf die Idee, die müde und dauernd erkältete Prostituierte Polly the Pistol (Kim Novak) als Frau Spooner auszugeben. 1964 fiel die sarkastische Farce um den degenerierten, zur Zuhälterei verkommenen „amerikanischen Traum“ restlos durch: Die Kritiker empfanden den Film als geschmacklos, und die katholische Legion of Decency wetterte massiv gegen die Unmoral von „Kiss Me, Stupid!“. Wohl auch deshalb, weil die Prostituierte hier nicht nur die sympathischste, sondern auch die bürgerlich-spießigste Figur von allen ist und weil Wilders – tatsächlich hochmoralische – dramaturgische Auflösung der Geschichte in einem doppelten Ehebruch besteht. Das Zeughauskino zeigt den Film in einer neuen restaurierten Kopie. – Ein Kinderfilm, der in seiner Machart angenehm altmodisch daherkommt, ohne dabei altbacken zu wirken: Christian Züberts „Der Schatz der weißen Falken“ führt in die süddeutsche Provinz der frühen 80er und erzählt von Jan, Basti und Stevie, die in einer kleinen Neubausiedlung eines Ortes in der Fränkischen Schweiz leben und dort mit den Kindern der ansässigen Bauern konkurrieren, die von der resoluten Marie angeführt werden. Bei ihren Versuchen, die Spur der „Weißen Falken“, einer Kinderbande aus den 70er-Jahren, aufzunehmen, erleben sie klassische Jugendabenteuer: Es geht um das Erforschen von Höhlen und verschlossenen Villen, um Freundschaft, Abschied und zaghafte erste Liebe. Dabei steht insbesondere die Erfahrung im Mittelpunkt, dass es mehr Sinn macht, sich seinen Ängsten zu stellen, als vor ihnen davonzulaufen. Letztlich eine zeitlose Unterhaltung ohne jedes Heile-Welt-Getue. In ihrer ersten Zeichentrickverfilmung von Hans de Beers Kinderbüchern um den kleinen Eisbären Lars hatten die Regisseure Piet De Rycker und Thilo Graf Rothkirch noch den schwerwiegenden Fehler begangen, ihr anvisiertes Publikum von Vorschulkindern mit viel zu spannenden Erlebnissen des Helden emotional zu überfordern. Das sorgte für Tränen. In „Der kleine Eisbär 2 – Die geheimnisvolle Insel“ wurde dieser Fauxpas korrigiert: Vor den Abenteuern, die Lars gemeinsam mit dem Pinguin Caruso und der Robbe Robby auf einer tropischen Insel bei der Rettung eines prähistorischen Fischs erlebt, steht eher die Komik im Mittelpunkt und die wenigen Spannungsmomente werden stets schnell abgemildert.
Lars Penning