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Österreichs Innenministerin unter DruckWer ist schuld am Kronzeugenmord?

Österreichs Behörden wussten um die Gefahr für Umar Israilow - Personenschutz aber lehnten sie ab. Vor zwei Wochen wurde der Tschetschene in Wien erschossen.

Verstrickt in Widersprüche: Die österreiche Opposition fordert Innenministerin Fekter auf zurück zu treten. Bild: reuters

WIEN taz Der Mord an einem tschetschenischen Flüchtling in Wien weitet sich nach und nach zur Staatsaffäre aus. Das Innenministerium musste letzte Woche zugeben, dass Umar Israilow, Monate bevor er am 13. Januar in Wien auf offener Straße erschossen wurde, um Personenschutz gebeten hatte. Der sei aber wegen "zu vager Bedrohungslage" abgelehnt worden. Innenministerin Maria Fekter, ÖVP, hatte zunächst behauptet, der Bedrohte hätte den ihm angebotenen Schutz abgelehnt.

Israilow, 27, hatte im Juni 2007 in Österreich Asyl bekommen. Seine Darstellung, er sei als Rebell gegen die russische Herrschaft in Tschetschenien im April 2003 von Schergen des russlandtreuen Präsidenten Ramsan Kadyrow eingesperrt und gefoltert worden, erschien den Behörden glaubhaft.

Israilow, und das war dem Innenministerium bekannt, war gleichzeitig ein gefährdeter Kronzeuge. Er sollte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, wo Russland wegen der Grausamkeiten im Tschetschenienfeldzug angeklagt ist, über seine Erfahrungen als Leibwächter Kadyrows und seine Torturen in den Folterkellern Grosnys aussagen.

Auf einer Todesliste tschetschenischer Oppositioneller, die über Internet zugänglich ist, stehen etwa 50 Personen, die in Österreich leben. Darunter auch Israilow. Dass er auf der Abschussliste des russischen Geheimdienstes stand, wusste man auch von einem reuigen Auftragskiller, der sich letzten Sommer mit der Bitte um Schutz und dem Angebot zur Zusammenarbeit an die Polizei gewandt hatte. Der Mann wurde, wie die Stadtzeitung Falter berichtet, nach Moskau abgeschoben. Israilow blieb ungeschützt.

Allein deswegen sei Innenministerin Fekter rücktrittsreif, meint der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen, Peter Pilz. Mehrere Beamte hätten ihm bestätigt, dass die russischen Geheimdienste in der Frage tschetschenischer Flüchtlinge seit Jahren eng mit den österreichischen Behörden zusammenarbeiteten: "Ziel ist es, Flüchtlinge gemeinsam so unter Druck zu setzen, dass sie freiwillig nach Russland zurückkehren." Ein Major des Inlandsgeheimdienstes FSB sei drei Monate in Wien gewesen, um die Polizei in Sachen Tschetschenen zu schulen.

Fekter bestritt diese Zusammenarbeit in einer ersten Reaktion nicht: "Sicherheitskooperation ist nützlich und sinnvoll. Ich sehe nicht, was daran verwerflich sein soll." Bei der Suche nach den Killern, die auf der Flucht als bisher einzigen Hinweis eine Tarnjacke zurückließen, dürfte diese Kooperation weniger hilfreich sein. RALF LEONHARD

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5 Kommentare

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  • FB
    Frau Brandt

    Diese skandalöse Flüchtlingspolitik ist ein Produkt rechter Politiker und ihrer menschenverachtenden Interessen. Das Ziel ist doch klar: Die Österreichische Regierung will die Zahl der Flüchtlinge in ihrem Land so weit es geht reduzieren. Dazu sind ihnen viele Mittel recht. Mit den Verbrechen in Russland und den Problemen der dortigen Bevölkerung möchte man am liebsten nichts zu tun haben. Schon gar nicht möchte man zulassen, dass die Tschetschenen ihre Probleme über die Staatsgrenzen nach Österreich holen. Die Hilfsbereitschaft des russischen Geheimndienstes kommt da gerade recht. Solche skandalösen Methoden gehören öffentlich an den Pranger gestellt, Politiker wie Frau Fekter zur Rechenschaft gezogen!

  • UR
    Uesula Rindt

    Es ist gut, dass wenigstens Ihr über diesen Skandal berichtet. In anderen Medien liest man dazu leider nichts. Auch über die vor wenigen Wochen in Moskau ermordeten Journalisten, die ja ebenfalls im Zusammenhang mit dem Tschetschenienkrieg sterben mussten, herrscht schon wieder Funkstille. Von Aufklärung keine Rede!

    Die ausbleibenden Reaktionen in der westlichen Öffentlichkeit werden Putin den Rücken stärken, seinen Geheimdienst auch weiterhin überall (denken wir an den radioaktiven Anschlag in England, der meines Wissens auch noch nicht aufgeklärt ist)auf offener Straße Gegner und Regimekritiker ermorden zu lassen.

  • R
    Renegade

    Wenn unsere werten "Volksvertreter" einen Vorteil für sich wittern, sind ja schon immer die tollen westlichen Werte, die mit Feuer und Schwert in die Welt getragen werden, nicht mehr ganz so viel Wert.

     

    Abgesehen von der hausgemachten Aushöhlung des Rechtsstaates etc. kooperieren wir doch gern mit Ländern wie Libyen, die das Flüchtlingsproblem schon in der Wüste anpacken können und auch nicht an solche lästigen Dinge wie Menschenrechte gebunden sind.

     

    Jetzt, wo die Zeiten härter werden, sehen unsere Vorzeigedemokraten, was ihre Vorgänger mit ihrem Gutmenschentum nach dem 2. Weltkrieg angerichtet haben. Da kann man (theoretisch) nicht einfach schalten und walten, wie in manch anderen Ländern.

  • MN
    mein name ist hase

    das ist europa!!! erst groß rummaulen, von freiheit und menschenrechten reden, jedoch in der praxis sich von verbrecherischen regimen nicht unterscheiden. und sich gegenüber ländern wie china, libyen, syrien etc. wie ein oberlehrer verhalten... armes europa!

  • JV
    Joint Venture

    Das ist wirklich Wahnsinn, dass eine westliche Regierung mit dem FSB zusammenarbeitet, um Flüchtlinge aus dem Land zu ekeln, und die Polizei eines demokratischen Staates von einem Gehheimdienstspezialisten dieses perversen exkommunistischen Unterdrückerapparats "weitergebildet" wird. Das einzige, was den FSB vom KGB unterscheidet, ist sein Mäntelchen, und darauf ist er selbst sogar stolz. Wer sich von dort "Unterstützung" holt, ist entweder schwachsinnig, oder selbst ein Verbrecher!

     

    Was muß eigentlich noch passieren, bevor der Durchschnittseuropäer langsam mal dahinter kommt, dass die dabei sind, uns hier zu infiltrieren, und dabei weiterhin ganz harmlos zu tun. Der Durchschnittstrottel im Westen hat leider in der Regel nach wie vor keine Ahnung von der Mentalität dieser Burschen, weil er in dem Sysem nicht gelebt hat, in dem dieser Dreck im ganzen früheren Ostblock geherrscht hat. Der FSB - das sind nicht einfach Geheimdienstler, es sind Tschekisten. Die Unterwanderung des "Feindes" ist da Programm. Dies ist neben dem chinesischen der am aktivsten in Wirtschaft und Politik, auch Innenpolitik, spionierende Dienst in Deutschland. Jeder, der die Story dieser Truppe kennt, der weiß, daß es schon ein schwerer Fehler ist, denen eine Handbreit entgegenzukommen!

     

    Aber klar, in Österreich kooperiert man gleich mit ihnen, wie praktisch. Warum nicht gleich auch mit Gaddafi, Nordkorea, Weißrussland und Turkmenistan?

     

    In Deutschland verleiht man solchen Typen währenddessen lieber Orden für ihre Spitzeltätigkeit, so wie Putin.

     

    Liebe taz, wie wäre es mal mit einer investigativen Aktion zu der Frage, wo genau der "erhebliche Druck aus Berlin" auf Herrn Tillich, von dem die Dresdner Landtagsfraktion gesprochen hat, eigentlich herkam, Putin diesen Orden zu verleihen ? (Sächsische Zeitung, 23.1.09) Es geht hier nicht um den SCh...Orden allein, ich denke, wir solten schon wissen, welche Leute hier in Deutschland es genau sind, die uns gerne einen solch erbärmlichen Kniefall vor der Diktatur verordnen möchten - solange nur die Geschäfte damit zu retten sind. Ansonsten können wir uns hier dann wahrscheinlich auch gleich noch darauf einstellen, das demnächst hier auch noch jemand mit denen zusammenarbeiten möchte. Nun ja, oder er tut es bereits.