: Österreich: Nationale übernehmen FPÖ
■ Auf dem Bundesparteitag der Freiheitlichen Partei Österreichs wurde der rechts–nationale Kärntner Landesrat Jörg Haider zum neuen Parteichef gewählt / Niederlage für den liberalen Flügel / Rechtsruck in der FPÖ kann Auslöser für neue Regierungskrise in Wien werden Sozialisten müssen sich entscheiden: Neuwahlen noch in diesem Jahr oder Weitermachen mit den rechten „Liberalen“
Aus Wien Reinhard Engel
Seit Samstagnacht kriselt es wieder in der Wiener Regierung. Auf dem Bundesparteitag der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), dem kleinen Koalitionspartner der Sozialisten, erlitt der bisherige Obmann und Vizekanzler, der liberale Norbert Steger, eine schwere Niederlage und verlor die Führung der Partei. Neuer FPÖ– Chef ist der Kärntner Landesrat Jörg Haider, der an der Spitze des rechten Parteiflügels seit Monaten gegen den liberalen Steger ins Feld zieht. Unterstützt wird er vor allem von den Bundesländern Kärnten, Salzburg und Tirol, die als nationaler gelten als die Wiener Freiheitlichen. Steger wollte sich noch im letzten Moment der drohenden Niederlage in einer Kampfabstimmung entziehen und schlug „im Namen der Einheit der Partei“ vor, Verteidigungsminister Helmut Krünes, seit einigen Monaten Nachfolger des glücklosen Frischenschlager, solle als Kompromißkandidat für „Ruhe sorgen“. Doch „der Jörgi“ schlug siegessicher die dargebotene Hand ab. Die Abstimmung war deutlich. Der amtierende Vizekanzler, der immerhin die FPÖ nach 30 Jahren erstmals zu einer Regierungsbeteiligung gebracht hatte, erreichte nicht mehr als 39 Prozent der Stimmen, Herausforderer Haider kam auf 57 Prozent. Die FPÖ war seit ihrer Gründung 1948, damals als Verein der Unabhängigen, stets zwischen zwei eigentlich unvereinbaren Flügeln hin und her geschwankt. Zwar standen an ihrem Anfang einige „echte“ Liberale, doch fand sich schnell die Mehrzahl der ehemaligen Nazis in ihren Reihen (wobei auch die anderen beiden Großparteien ihren Teil gierig aufsaugten). Einigendes Band war die Oppositionsbank im Wie ner Parlament, und aus taktischen Gründen schielten die FPÖ–Politiker für ihren Aufstieg eher zur ideologisch ferner stehenden SPÖ. Von den Bürgerlichen fürchteten sie schneller aufgefressen zu werden. Doch seit der Regierungsbeteiligung unter Norbert Steger werden die Flügelkämpfe wieder heftiger geführt. Der offensichtliche Opportunismus der „Führungsgarnitur der FPÖ“ stieß auf Kritik der Basis, besonders in den Bundesländern. Fortsetzung auf Seite 6 Die Wähler liefen in Scharen davon, die ehemals liberalen Protestler fanden bei den Grünen eine neue Heimat. Haider, der als einziger Landes–FPÖler bei seinen letzten Landtagswahlen zulegen konnte, hat dies nicht zuletzt mit einem Anti–Wien– und Anti–SPÖ– Kurs geschafft. Die Haltung der Sozialisten zu dem neuen Partner bleibt noch abzuwarten: mit Haider gehe es nicht, denn der Jungpolitiker gilt bei manchen alten Sozis als „Nazibua“. Auf der anderen Seite meinen die Pragmatiker, Neuwahlen im November seien zu früh für die Sozialisten, der neue Kanzler habe sich noch nicht genügend profiliert. Der erst wenige Monate amtierende SPÖ–Bundeskanzler Vranitzky erklärte sibyllinisch, es trennten ihn Welten von Haider, jedoch seien noch alle Optionen offen.
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