■ Ökolumne: Unsere Ökonomie zerstört uns Von Herbert Gruhl
Was man heute als „moderne Ökonomie“ bezeichnet, hat sich in der Rekordzeit von zwei Jahrhunderten auf diesem Planeten entwickelt. Die daraus in Europa hervorgegangene und in Nordamerika noch höher gepuschte Zivilisation eroberte in kurzer Frist den ganzen Erdball. Ihre Mittel waren so gewaltig, daß die Natur völlig überrollt und partiell schon zerstört wurde und in steigendem Maße weiter zerstört werden wird. Trotzdem blieb der damit geschaffene „Wohlstand“ auf die nördliche Hemisphäre beschränkt. Ihn auf die südliche auszuweiten ist nicht gelungen, wie es auch dem sowjetischen Kommunismus nicht gelungen ist, ein dauerhaftes Industriesystem aufzubauen, unter anderem deshalb, weil es nicht die geringste ökologische Rücksichtnahme kannte.
Aber auch im Westen entstand erst unter dem Eindruck der zunehmenden Naturzerstörung eine wissenschaftliche Gegenposition, die Ökologie. Die Ökologie lehrt uns, daß die Natur ohne den Menschen existieren kann, der Mensch aber nicht ohne die Natur. Obwohl ihre Aussagen evident sind, hat die Natur einen entscheidenden Nachteil: Sie kann kurzfristig keine realen Machtpositionen erobern, wie das die Ökonomie getan hat, in dem sie Gütermassen, Verkehrsmittel, Waffen und Geldmittel in einem Ausmaß kumulierte, gegen das jeder Widerstand aussichtslos blieb. Das zeigt sich auch darin, daß die Ökologie von der Ökonomie einfach als neuer Wirtschaftszweig aufgegriffen und als „technischer Umweltschutz“ ihr einverleibt wurde.
Insgesamt hat schon die supertechnische Ökonomie Arbeitsplätze in riesigen Dimensionen geschaffen, die ihren glücklichen Besitzern Wohlstand garantieren. Damit sind alle (die Staatsführungen eingeschlossen) zu Sklaven des industriellen Systems geworden – und ohne daß sie es merken, arbeiten sie weiter an ihrer eigenen Versklavung, denn sie können nun nicht mehr anders. Tatsächlich hängt inzwischen das Wohl von Milliarden Menschen einzig und allein vom weiteren globalen Funktionieren des jetzigen ökonomischen Systems ab. Diese Milliarden wenden sich daher rational und instinktiv gegen jede Änderung des jetzigen Systems. Der Sieg der marktwirtschaftlichen Ökonomie ist nur möglich geworden, weil ihre Ausbeutung der Erde von Anfang an effizienter gewesen ist. Weil sie höhere Wachstumsraten erreichte, konnte sie sogar ein wenig für den Umweltschutz abzweigen. Aber diesem „modernen“ Wirtschaftssystem ist es bisher nicht gelungen, die 4.000 Millionen Menschen, die im 20. Jahrhundert auf diese Erde hinzugekommen sind, einigermaßen mit Arbeitsplätzen und Nahrung zu versorgen. Zwar ist die Utopie des immer besseren Lebens für immer mehr Menschen in den letzten Jahren zusammengebrochen; doch das hat nicht den geringsten Einfluß auf die Vermehrung der armen Völker der Erde gehabt. Sie stellen inzwischen 80 Prozent der Weltbevölkerung, und ihr Anteil nimmt weiter zu, was zu wachsendem Elend führt.
Der neue welthistorische Widerspruch besteht also darin, daß die Gattung Mensch mit unaufhaltsam wachsender Zahl und weiter steigenden Ansprüchen des einzelnen (nach westlichem Vorbild) die Fließgleichgewichte der Natur zerstört. Die gewaltige Dynamik der Vorgänge läßt sich offensichtlich nicht mehr bremsen. Dennoch bleibt es ein hoffnungsloser Kampf, die anflutenden Menschenmassen unterzubringen, sie zu ernähren und sie auch noch mit – möglichst hochproduktiven – Arbeitsplätzen zu versorgen. Doch damit läßt sich der Kreis nicht schließen; denn alle Anstrengungen führen lediglich zu einem schnelleren Verzehr der Erdvorräte und zu einer steigenden Umweltbelastung obendrein, bis schließlich auch die Fruchtbarkeit der Natur zusammenbricht – wahrscheinlich noch ehe die Vorräte an Energie und Mineralien in der Erde erschöpft sein werden.
Alle bisher vorgelegten Pläne vermögen diese Widersprüche nicht aufzulösen. Der Mensch geht an seiner jetzigen, selbstgeschaffenen Ökonomie zugrunde, weil diese die ökologischen Gesetze unserer Erde nicht beachtet hat.
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