■ Ökolumne: Zynische Ratgeber Von Michael Berger
Und ab wann dürfen die taz-Leserinnen und -Leser an dieser Stelle den täglichen Öko-Tip zu sich nehmen? Ist nicht in Vorbereitung? Soll die Gemeinde ihre Handreichungen etwa weiterhin aus politisch bedenklichen Druckerzeugnissen wie Bunte („Die grüne Seite“), Vital („Umweltfragen an Dr. Hannelore F.“) oder gar Bild der Frau („Der Umwelt zuliebe“) entgegennehmen? Durch den Mangel an alltagstauglicher Aufklärung wird die taz-Kundschaft, die sich dem Vernehmen nach überwiegend an Sojabratlingen, Robert Jungk und Baumwollwindeln delektiert, in ihrer „nachhaltigen Entwicklung“ gebremst!
Im Ernst: Das ist gut so. Denn der Unsinn, den uns die gedruckten wie elektronischen Medien als Maßnahmen zur Rettung der Erde andienen, ist längst zu einem ideologischen Kontaminationsproblem geworden. 70 Prozent der Deutschen behaupten, Umweltschutz sei ihnen ein vorrangiges Anliegen. Das macht sie zu einer Zielgruppe, die bedient werden will. Auch die Stadtverwaltungen sehen sich zur Umweltaufklärung genötigt — durch handfesten Notstand auf Straßen und Deponien —, raten zu automobiler Enthaltsamkeit und „Mülldiät“ (Hamburg), werfen sodann einige Merkblätter unter die Bürgerinnen und Bürger, aus denen diese entnehmen können, über welchen Autobahnanschluß sie den für sie zuständigen Entsorgungspark ansteuern können. Auch das wackere Umweltbundesamt mischt mit, es vertreibt in großer Auflage Plakate, Videos und allerlei bunte Broschüren — neuerdings auch in Blindenschrift („im Bemühen, weitere Zielgruppen zu erschließen“).
Müde Parolen (Umweltschutz fängt zu Hause an), gepaart mit schlichten Empfehlungen (Flurlicht ausschalten, wenn es nicht gebraucht wird) sollen uns einreden, daß jeder im Privaten mit Fleiß und Sparsamkeit, aber ohne Verzicht an Komfort sein Scherflein zum Heilsplan beitragen kann. Daß es schon eine prima Sache ist, daß wir unsere Achselnässe jetzt FCKW-frei bekämpfen.
Man mag die gängigen Umwelttips einfältig nennen, bei näherem Betrachten sind sie zynisch. Zynisch ist, wenn einem Hausmann geraten wird, kleinere Einkäufe nicht mit dem Auto zu erledigen — wo doch das Joghurt, der Käse, der Wein, die er erstehen will, schon Hunderte, vielleicht Tausende von Kilometern per Lkw zurückgelegt haben. Zynisch ist, dem Publikum zu empfehlen, zwecks Wassereinsparung einen Ziegel in den WC-Kasten zu legen, wenn für die Produktion eines Autos unangefochten 400.000 Liter Wasser verbraucht werden. Zynisch ist, die Bürger zur Entsorgung der FCKW aus ausgedienten Kühlschränken zu drängen, solange hierzulande jährlich 1.400 Tonnen FCKW für die Produktion von Autositzen und Lenkrädern, 1.500 Tonnen für Pkw-Klimaanlagen verwendet und in die Atmosphäre entlassen werden.
Und zynisch ist auch, den Verbrauchern Ablaß von ihren Konsumsünden zu versprechen, wenn sie nur bestimmte Regeln einhalten: Wenn sie Autos mit Katalysatoren kaufen — obwohl die Ausbreitung der Kat- Technik nur dazu geführt hat, daß mehr und hemmungsloser gefahren wird. Wenn sie ihren Schrott dem Recycling zuführen. Dazu die US-Öko-Zeitschrift Warmer Bulletin: „Das Problem mit dem Recycling ist, daß es die Leute zu dem Glauben verführt, sie hätten etwas gegen ihr Müllaufkommen getan. Es vermindert die Schuldgefühle... Und sie leiten daraus stillschweigend die Erlaubnis ab, in genau der gleichen Weise weiterzumachen.“
Hinter den vielen guten Ratschlägen versteckt sich nicht nur Ratlosigkeit angesichts der ökologischen Entwicklung. Sie entsprechen vielmehr dem politischen Primat der Ökonomie. „Ökologie muß wirtschaftsverträglich sein“, hat jüngst der CDU-Bundestagsabgeordnete Friedbert Pflüger, Autor eines Buches mit dem großspurigen Titel „Wie der Planet gerettet werden kann“, in aller Offenheit gefordert. Das heißt: Die Warenströme werden weiter fließen — mit Rußfilter vor dem Auspuff; der Konsum bleibt ungebremst — mit grünem Punkt drauf.
Es erwarte hier niemand einen Rat.
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