■ Ökolumne: Windiger Protest Von Franz Alt
Es ist ein sonniger und windiger Junimorgen auf der Hornisgrinde. Darf auf dem 1.100 Meter hohen Baden- Badener Hausberg ein Windpark errichtet werden? Das ist die Frage, die Stuttgarts Umweltminister Harald Schäfer beantworten muß. Seltsame Koalitionen bilden sich um ihn herum, während es stürmt wie an der Nordsee. Ein grüner Landtagsabgeordneter, CDU-Kommunalpolitiker und ein Vertreter des Wirtschaftsministers sind für die umweltfreundliche Energieproduktion, aber Vogelschützer, Wanderfreunde, Landkreis und Regierungspräsidium sind dagegen.
Drei Windräder, jeweils 30 Meter hoch, sind ein unverantwortlicher Eingriff in die einzigartige Landschaft auf dem höchsten Berg des Nordschwarzwaldes, die seltenen Tier- und Pflanzenarten Heimat bietet, sagen die Gegner. Die Windfreunde argumentieren im Angesicht des Waldsterbens ringsum: Mit drei geplanten Windkrafträdern bleiben der Umwelt jährlich 670 Tonnen Kohlendioxid, 4 Tonnen Schwefeldioxid, 1,6 Tonnen Stickoxid und 0,5 Tonnen Kohlenmonoxid erspart. Um diese Schadstoffmenge zu binden, braucht man 1.300 ausgewachsene und gesunde Bäume – hier oben sind fast alle krank oder tot.
Die Vogelschützer beharren auf ihrer Position: Die vier Wanderfalken, die es hier gibt, und einige Bergdrosseln müssen, wenn die Windmühlen gebaut werden, künftig 100 Meter tiefer nisten und brüten. Dies sei „unzumutbar“. Bergdrossel oder prima Klima: Wie wird der SPD-Umweltminister entscheiden? Auf der Rückfahrt sehen wir aus dem Busfenster Baumriesen, die wie Mikadostäbchen gefallen waren. Harald Schäfer sagt den sibyllinischen Satz: „Ich bin für erneuerbare Energien – aber nicht um jeden Preis.“
Mich haben die Argumente der Naturschützer und Vogelfreunde wieder einmal nicht überzeugt. Auf der Hornisgrinde, genau dort, wo die drei geplanten Windräder künftig umweltfreundlichen Strom für 200 Familien erzeugen sollen, stehen bereits ein 200-Meter- Funkturm des Südwestfunks, Richtfunkmasten der Telekom und Funkanlagen der französischen Armee.
Dagegen hörte ich kein Wort an diesem Morgen. Dafür aber um so strengere Bedenken gegen umweltfreundliche Windenergie. Gelegentlich soll schon ein toter Vogel an Windrädern gesehen worden sein. Wieviel tausend tote Vögel fliegen jährlich an circa 60.000 Strommasten in Deutschland, und wieviel Millionen knallen gegen 38 Millionen Pkw-Scheiben und werden zermatscht unter Autorädern! Noch nie habe ich gehört, daß aus diesem Grunde das Autofahren verboten und Strommaste abgerissen werden sollen. Millionenfach werden Treibhausgase aus Schornsteinen und Auspuffrohren geblasen. Täglich sterben 100 Tier- und Pflanzenarten wegen dieser Vernichtungsenergien. Aber ausgerechnet dem umweltfreundlichsten Energieproduzenten werden die schärfsten Umweltauflagen verpaßt! Letzte Woche hat mir ein Gärtner erzählt, er habe 17 Jahre mit den Behörden gekämpft, bis er seine Windanlage endlich aufstellen durfte. In Dänemark wurden in den letzten Jahren bei mehreren tausend Windkraftanlagen weniger als zehn tote Vögel gefunden. Wenn die Räder laufen, fliegen nämlich die Vögel drumherum. Sie sind schlauer als viele behördliche Naturschützer – vermuten.
Am letzten Wochenende hat Harald Schäfer entschieden: Die Windräder dürfen gebaut werden, der Betreiber muß neben den 750.000 Mark für seine Windmühlen 80.000 Mark für ökologische Maßnahmen aufwenden – „als Ausgleich für den Eingriff in Natur und Landschaft“. 80.000 Mark dafür, daß 18 Quadratmeter in einem toten Wald zubetoniert werden. Die Atomlobby und die Ölindustrie freuen sich über soviel Umweltsensibilität gegenüber der Konkurrenz. Drei Windmühlen auf der Hornisgrinde setzen der lebensbedrohenden Atomspalterei kein Ende. Erst viele zehntausend Anlagen für Wind-, Sonnen-, Wasser- und Biomassenenergie lehren die Vertreter der Zerstörungsenergie aus Kohle, Öl, Gas und AKW das Fürchten und bestätigen uns in der Gewißheit, daß es sehr wohl auch anders geht. Doch zur Zeit ist in Deutschland der Bau von zehnmal mehr Windkrafträdern beantragt, als insgesamt schon laufen. Und überall verzögert oder verhindert der behördliche Naturschutz die Genehmigung: Viele Naturschützer argumentieren unpolitisch anstatt umweltpolitisch. Was der Umwelt dient, nützt auch der Natur. Auch die Bergdrossel braucht ein prima Klima!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen