■ Oekolumne: Zauberformel Energiesteuer Von Mohssen Massarat
Die Energiesteuer wird seit einigen Jahren in Europa und spätestens seit Clintons Amtsantritt auch in den USA als ein wichtiges Instrument der CO2-Reduzierung diskutiert. Grüne, Sozialdemokraten und Umweltverbände versprechen sich davon steigende Energiepreise und somit sinkenden Energieverbrauch, darüber hinaus auch einen entscheidenden Schritt zur ökologischen Reform der Marktwirtschaft. Ein Lenkungseffekt in Richtung auf energiesparende Produkte und Technologien soll so erzielt werden.
Kein Zweifel, der Energieverbrauch, insbesondere in den Industrieländern des Nordens, muß drastisch gesenkt und die gegenwärtigen Dumpingpreise für fossile Energieträger müssen nach oben korrigiert werden. Hierzu gibt es keine Alternative. Aus umweltpolitischer Perspektive bestehen jedoch Zweifel, ob die Energiesteuer überhaupt das leistet, was deren Befürworter annehmen. Im Vordergrund des Konzeptes steht lediglich das Verbraucherverhalten: Steigende Energiepreise bewirken einen sinkenden Verbrauch von fossilen Energieträgern, ergo auch eine Verringerung des CO2-Ausstoßes, basta!
Im übrigen verläßt man sich darauf, daß Anbieter von fossilen Energien so auf den sinkenden Verbrauch reagieren, wie es in der ökonomischen Standardliteratur nachzulesen ist: Eine sinkende Nachfrage soll ein sinkendes Angebot nach sich ziehen. Genau diese Erwartung wird jedoch auf dem Energiemarkt aller Wahrscheinlichkeit nach nicht eintreten.
Die in der Opec organisierten Ölanbieter könnten auf eine sinkende Ölnachfrage theoretisch mit der Verknappung des Angebots reagieren. Jedoch dürfte bei einem Nachfragerückgang der Ölpreis sinken und damit auf der Anbieterseite unausweichlich Umsatz- und Einnahmeverluste hervorrufen. Um diese Verluste wettzumachen, wird die Opec nicht mit einer Verknappung, sondern umgekehrt mit einer Steigerung des Ölangebots auf dem Weltmarkt reagieren. Der Angebotsüberhang wird die Preise eher sinken lassen. Der Preissteigerungseffekt der Energiesteuer auf der Verbraucherseite und damit auch die erhoffte CO2-Reduktion wird zunichte gemacht. So gesehen stünde den Steuereinnahmen der Finanzminister in den Industriestaaten eine höhere Ausbeutung der Ölressourcen in den Ölerzeuger-Staaten gegenüber. Im übrigen bliebe aber der Energiepreis so niedrig, der Energieverbrauch und der CO2-Ausstoß so hoch wie eh und je; sinkende Peise würden im Gegenteil eher zu einer Steigerung des Energieverbrauchs führen.
Dieses Szenario ist leider durchaus realistisch. Ein gewöhnlicher Unternehmer kann auf eine sinkende Nachfrage in der Regel nicht mit einer Produktionssteigerung reagieren. Sehr wohl können jedoch Eigentümer von natürlichen Ressourcen eine derartige Strategie einschlagen, wenn a) sie für absehbare Zeit genug davon haben, b) die Produktionskosten angesichts der Naturproduktivität kaum eine Rolle spielen und c) sie wider die ökologische Vernunft und langfristigen Interessen nur das kurzfristige Ziel der Einnahmesteigerung verfolgen. Die ökonomische Theorie hat dieser den Marktgesetzen zuwiderlaufenden Problemlage leider nicht Rechnung getragen und daher Mißverständnissen Tür und Tor geöffnet.
Alle drei Bedingungen dieses Sonderfalles erfüllen Saudi-Arabien und Kuwait, die zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten die Strategie der Opec bestimmen. Diese drei Staaten verfolgen ohnehin eine Politik der Überproduktion. Auch als während des Golfkrieges wichtige Produzenten ausfielen, ist die Angebotsmenge nicht gesunken. Nach der Wiederaufnahme der Ölproduktion in Kuwait und im Irak drohen die Märkte in einer Ölflut zu versinken. Der Ölpreis hat schon jetzt den Tiefstand von 15 Dollar pro Barrel erreicht.
Unüberlegte ökologische Schnellschüsse können also das Gegenteil von dem bewirken, was sie eigentlich erreichen wollen. Wenn es zutrifft, daß der Ölpreis zu niedrig ist, dann bedarf diese Feststellung einer genauen Analyse der Ursachen, die sehr komplex und in den Bereichen der Ökonomie von erschöpfbaren Ressourcen, der Nord- Süd- und der internationalen Macht- und geostrategischen Beziehungen zu suchen sind.
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