■ Ökolumne: Eco-Correctness Von Caroline Fetscher
Im Kongo sitzt Tropenhändler Stoll auf seiner Veranda, während der umliegende Dschungel für ihn Millionen abwirft: Gelder aus dem – teils illegalen – Waldraubbau machen den Mann aus Bremen reich. In Südschweden stopft Holzhändler Hansen, Jensen oder Jansen seine Pfeife, während die Papierplantagen draußen vor seiner Tür Profit für ihn erwirtschaften. Auch den Mann macht der Raubbau an Wäldern reich.
Hier wie dort stirbt der Wald. Baum ist Baum, und Wald ist Wald. Wasser ist Wasser, Luft ist Luft, „alles hängt biologisch zusammen“. Das Global-Village- Phantasma ist ein Post-Rio-Phänomen, und 1993 ernten wir die Früchte dieses fatalen Mißverständnisses.
Seit die frappierenden „Nord-Süd-Parallelen“ auf dem Mega- Ökogipfel 1992 in Rio alle Ökologen weltweit erschütterten, gibt es in Öko- Organisationen keine „Tropenwaldkampagnen“ mehr. Sie heißen jetzt „Waldkampa-Foto: Jan Peter Struve
gnen“, denn das
ist „ökologi-
scher“. Doch der Raubbau später Kolonialherren und von Tropenholzboß Stoll ist politisch, historisch, sozial ein anderer als der seiner südschwedischen Kollegen. Das globale Gerede vom „Schicksal der Erde“ verwischt die politischen Grenzen und benebelt den historischen Verstand, die soziale Ratio. Warum?
Mindestens einer der Kerne der „Ökologie“ ist von Beginn an faul gewesen, doch zunächst war dieses Ding noch umhüllt von der ursprünglich politischen Motivation der Aktivisten. Heute bricht der Rassismus ans Licht, und die biologistische Weltsicht von 15 Jahren green brainwashing, der „Ökologie“ schimmert klarer durch deren dünnes politisches Gewand. „Ökologie“ ist nicht mehr correct, spätestens jetzt.
Geahnt habe ich es schon in den achtziger Jahren, als ich als Greenpeace-Redakteurin Einblick in die Fanpost des Vereins hatte. Gern lobten frohgemute Schäferhundzüchter und besorgte Deutschewaldliebhaber unsere Anstrengungen, den deutschen Baum zu erhalten, während deutscher Boden, die Luft und das Wasser der Flüsse „endlich sauber“ würden.
Inzwischen sammelt Greenpeace, als Großsekte für das Großreinemachen, 70 Millionen Mark grüner Ablaßbußgelder im Jahr. Weiterhin besetzen weißbekittelte Teams wie eine Öko-GSG-9 Werksgelände und andere hot spots als Werbetruppe für ökologische Sauberkeit und ein green peace paradise. Context lost.
War es ein Alptraum, als dieses Jahr selbst die vernünftigsten Kollegen von früher begannen, dreist wie Voscherau über notwendigen „Zuzugsstopp“ für „Ausländer“ zu reden? Man müsse doch mal sehen, die seien ja hier gar nicht zufrieden, und dann die Wohnungsnot und ... „Die Deponie ist voll“?
Öko ist sauber, sauber ist gut. Dichotomien wie rein und unrein, natürlich und unnatürlich, monokulturell und multikulturell okkupieren dann rasch all die Orte, an denen politische Diskussion geschehen sollte.
Von Vandana Shiva bis Greenpeace fällt die Ökologie auf sich selbst herein, verwischt die politischen Widersprüche. Eigentlich, so denkt es da, braucht die sich sprengende spätkapitalistische Gesellschaft nur ein wenig Reorganisation und eine modifizierte Profitethik, mehr „Biodiversität“ und „Multikulturalität“, dann wird alles gut. Biologistische und technokratische Strömungen münden in einen einzigen grünen Fluß, der in einem Meer aus Ökoblödsinn verrinnt.
Das Weltbild der Ökologen, das schrecklicherweise auch noch hegemonial zu werden droht, ist nämlich ein rechter Knast. Unzählig sind die Beweise dafür, was dabei herauskommt, wenn die Maxime der Ökocleanness Oberhand gewinnt. Wie in der ARD.
Unlängst bestätigte sich da der dringende Verdacht, daß Zimmermanns ungelöstes „XY“ dieselbe paranoide Angst im gesellschaftlichen Gefühlsstrom auslöst wie Bednarzens linker „Monitor“. „Monitor“, ökobewußt und kritisch, zeigte uns, welche ekelhaften Bestandteile in die Gelatine gemischt werden, aus der Weihnachtssüßigkeiten und Gummibärchen gemacht werden: „Aus Rinderhäuten, kotbefleckten“. Auch wenn, so Bednarz, das Endprodukt „mikrobiologisch rein“ (na also!) sei, so sei das doch scheußlich. Unsauber. Müsse einem den Appetit verderben. Gleich folgt dann ein Gruselreport über das Durchwühlen der Deponie Schönberg nach Dioxinfässern. Auch grauenvoll, all das. Alles unsauber, überall. HeXen und DioXin, X-mal Deutschland, XY-gelöst.
Merry X-Mas.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen