■ Ökolumne: Norden unter Druck Von Reinhard Loske
Ab Montag
geben sich bei der UNO in Genf wieder tatsächliche und vermeintliche Klimaschützer aus aller Herren Länder ein Stelldichein. Es geht um die Weiterentwicklung der Klimarahmenkonvention, die seit März dieses Jahres in Kraft ist und die völkerrechtliche Grundlage für den Schutz der Erdatmosphäre bildet. Bislang enthält dieses Abkommen zwar ein anspruchsvolles Ziel, nämlich die Verhinderung einer menschengemachten Störung des globalen Klimas, kaum aber bindende Verpflichtungen. Den Industrieländern wird bis 2000 nur eine Rückführung ihrer klimaverändernden Emissionen auf das Niveau von 1990 nahegelegt.
Die Frage, wie sie mit dem dramatischen Auseinanderfallen von hehrem Ziel und realem Tun beim Klimaschutz verfahren will, muß die Staatengemeinschaft sehr bald beantworten. Auf der ersten Konferenz der Vertragsstaaten im März 1995 in Berlin müssen laut Konvention die Angemessenheit der Verpflichtungen geprüft und Konsequenzen gezogen werden. Welche Antworten sind möglich?
Eine Antwort wäre, daß die gegenwärtigen Verpflichtungen der Industrieländer ausreichend sind. Eine solche Position käme schierer Ignoranz gleich, denn die Ergebnisse aller relevanten Klimamodelle sagen bei einer Fortsetzung der jetzigen Emissionstrends einen deutlichen Temperaturanstieg voraus. Es ist jedoch nicht zu befürchten, daß sich diese Position in Berlin durchsetzen wird.
Nicht minder problematisch wäre die Antwort, die ganze Klimakonvention müsse neu verhandelt werden. Sie stellt einen fragilen Kompromiß zwischen verschiedensten nationalen Interessen dar. Würde dieses Paket wieder aufgeschnürt, wäre mit einer jahrelangen Lähmung zu rechnen. Die Öl- und Kohlelobbyisten würden ihr Störpotential wieder aktivieren, die Wirtschaftsministerien der Staaten ihren Kollegen im Umweltministerium noch mehr Knüppel zwischen die Beine werfen und die Entwicklungsländer die Finanzfragen erneut aufrollen.
Bleibt als derzeit vernünftigste Option die Erarbeitung eines Protokolls zur Klimakonvention. Ein solches Verfahren hat sich bei den Regelungen zum Schutz der Ozonschicht bewährt, wo der Wiener Konvention (1985) das Montrealer Protokoll (1987) angefügt wurde, in dem verbindliche Mengen- und Zeitziele für die Reduzierung von FCKW und Halonen sowie Regelungen zum Finanz- und Technologietransfer vereinbart wurden. Das Klimaprotokoll müßte auch solche verbindlichen Ziele für die Verminderung der Treibhausgasemissionen enthalten. Sinnvoll erscheint das „Toronto-Ziel“, das eine Verminderung des Kohlendioxidausstoßes in den Industrieländern um 20 Prozent bis 2005 (gegenüber 1990) vorsieht. Doch auch für 2020 und 2050 sind Ziele anzuvisieren.
Das Protokoll sollte auch die Möglichkeit schaffen, daß Vertragsstaaten ihre Verpflichtungen gemeinsam umsetzen können, da so die Flexibilität erhöht wird. Dabei muß aber klar sein, daß die Industriestaaten den Löwenanteil ihrer Verpflichtungen zu Hause erfüllen. In der Konvention ist immer von allen Treibhausgasen die Rede, nicht nur von CO2, das etwa die Hälfte zum Treibhauseffekt beiträgt. Entsprechend sollte auch das Protokoll alle Treibhausgase umfassen. Den Vertragsparteien muß ein größtmögliches Maß an Freiheit bei der Umsetzung eingeräumt werden. Was stimmen muß, ist die Bilanz. Das Protokoll muß die Möglichkeit für spätere Änderungen der Ziele bieten, wenn sich neue Erkenntnisse oder Entwicklungen ergeben. Und schließlich darf das Protokoll nicht nur auf die Industriestaaten zugeschnitten sein. Es muß Anreize schaffen, auch die Entwicklungsländer zum Beitritt zu bewegen, die bisher keinen spezifischen Verpflichtungen in der Klimakonvention unterliegen.
Ob es auf dem Berliner Klimagipfel zu ernsthaften Diskussionen über ein Protokoll kommen wird, wird dieser Tag in Genf vorbestimmt. Wie man hört, will Bundesumweltminister Töpfer in Genf einen deutschen Protokollentwurf ankündigen lassen. Das ist zu begrüßen, glaubwürdig aber nur zu vermitteln, wenn die Hausaufgaben in der Energie-, Verkehrs-, Agrar- und Naturschutzpolitik gemacht werden.
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