■ Ökolumne: Klimaziele statt Klimaschutz Von Felix Berth
Wenn sich ein paar Privatleute namens Hans Huber, Otto Müller oder Gerhard Meier am 28. März in Berlin vor das Kongreßzentrum ICC stellen und verkünden würden: „Wir haben das Ziel, das Klima zu retten“, dann würde ihr Geschwätz niemanden ernsthaft interessieren – zu Recht.
Wenn sich Helmut Kohl oder Angela Merkel am 28. März in Berlin vor das ICC stellen und verkünden: „Wir haben das Ziel, das Klima zu retten“, dann nimmt das auch keiner wirklich ernst. Zu Recht: Denn das Ziel verkünden sie schon lange, unternommen haben sie nichts. Es gibt in Deutschland keine Energiesteuer, keinen Versuch, den Autoverkehr einzudämmen, keine Vorschriften für Wärmeschutz an Altbauten und keine Verpflichtungen für die Industrie, mit Energie sparsam umzugehen.
Ziele allein, egal ob von irgendeinem Privatmann oder vom Bundeskanzler formuliert, nutzen nichts. Wer sich damit abspeisen läßt, hält auch Kohls letzte Regierungserklärung für eine wahre Beschreibung seiner Politik und Honeckers letzten Fünfjahresplan für eine Analyse der DDR-Wirtschaft. Und trotzdem beobachten wir seit einigen Monaten eine Diskussion gerade unter Umweltgruppen, die um nichts anderes kreist als um irgendwelche Ziele. Als sei es schon die Lösung des Klimaproblems, wenn dreißig vom Treibhauseffekt existentiell bedrohte Inselstaaten das Ziel vorschlagen, den CO2-Ausstoß in den Industrieländern bis 2005 um 20 Prozent zu reduzieren.
Sicher, Maßnahmen zur CO2-Reduktion in dieser Dimension sind notwendig. Sicher, solche Ziele liefern den Maßstab für Kritik, und wenn sich Angela Merkel in den nächsten Jahren mit ihrem Klimaschutzbericht an die Öffentlichkeit wagen muß, dann wird das sicher ein nettes Spektakel. Denn dann muß sie oder ihr Nachfolger sich vorrechnen lassen, was die Regierung alles nicht unternommen hat, um die selbst gesteckten Klimaziele zu erreichen. Doch diese paar Pressekonferenzen lassen sich aussitzen. Wenn eine Regierung und ein Parlament keinen Klimaschutz wollen, nützt eben auch deren eigenes Ziel nichts.
Nun bleibt freilich noch ein Argument – besser gesagt ein Schlagwort –, das vor dem Berliner Klimagipfel von den Umweltschützern immer wieder brav herunterdekliniert wird: In Berlin gehe es ja um ein „völkerrechtlich bindendes“ Protokoll, das sei das Neue daran. Doch glauben wir sonst alles, was das Völkerrecht verheißt? Mit gutem Grund und der Erfahrung aus über achtzig Jahren: wohl nicht.
Und genau hier wird es spannend, denn hier stellen sich Fragen, die in der allgemeinen Zieldiskussion bisher völlig untergegangen sind: Wie läßt sich eine völkerrechtliche Verpflichtung, wenn sie denn erst einmal beschlossen wird, so absichern, daß die Staaten tatsächlich versuchen, das verkündete Ziel umzusetzen? Welche Daumenschrauben lassen sich in einen internationalen Vertrag einbauen?
Ein paar Erfahrungen mit solchen Fragen gibt es. In Montreal wurde einem Protokoll zur FCKW-Minderung noch eine Klausel angefügt: Wenn ein Staat die festgelegten Reduktionsziele nicht erreicht, wird er einfach vom Handel mit dem Ozonkiller ausgeschlossen. Diese Drohung wirkte – aber sie war eben auch leicht durchsetzbar, weil FCKW ein Kunstprodukt einiger Chemiefabriken und überdies relativ leicht ersetzbar ist.
Auf Kohlendioxid kann man dagegen nicht einfach verzichten, entsteht es doch bei jeder Verbrennung von Öl, Kohle, Gas oder Holz. Ein Ausschluß vom Handel entfällt. Aber man kann ja über andere Druckmittel nachdenken. Eine Möglichkeit, einem bindenden Protokoll Nachdruck zu verleihen, hat Hermann Ott vom Wuppertal-Institut für Klima und Energie vorgeschlagen: Ein Staat, der die vereinbarten Klimaschutzziele verfehlt, wird vom Handel mit CO2-Emittenten ausgeschlossen. Dann dürfte die Bundesrepublik zum Beispiel weniger Autos und Kraftwerke exportieren.
Das Gezeter der deutschen Industrie kann man sich vorstellen. Den Widerstand auch. Aber das zeigt, wie schwierig die Klimadiskussion wird, wenn sie sich von naiven Zieldebatten löst.
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