■ Oekolumne: Rüttgers Club zieht in den Krieg Von Gerd Rosenkranz
Der Kampf um den Standort nimmt an Härte zu. Der um Fortschritt und Zukunft sowieso. Jetzt eskaliert er zum Mehrfrontenkrieg: gegen potente Konkurrenten jenseits und marodierende Banden diesseits unserer Grenzen. Doch noch ist Deutschland nicht verloren! In Bonn fallen ein Zukunftsminister und seine Staatssekretärin jenen „kriminellen Aktivisten“ unerschrocken in den Arm, die den Dolch zum Stoß im Innern ansetzen. Jürgen Rüttgers (CDU) und Cornelia Yzer (CDU) machen sich verdient um unser Land, pardon: um unseren Standort. Gemeinsam ziehen sie aus, die „grüne“ Gentechnik zu verteidigen gegen „ideologische Panikmache“, gegen „kranke Gehirne“ und „organisiertes Verbrechen“. Mit der auf Versuchsäckern kampierenden „Fundamentalopposition“, ahnt die Juristin Yzer (35), „sind die örtlichen Polizeidienststellen überfordert“. Und deshalb „müssen wir den Einsatz des Bundeskriminalamts in Erwägung ziehen“ — wie einst gegen die Rote Armee Fraktion?
Dies ist keine Satire. Referiert werden Originalzitate, verbreitet von jenem Zukunftsminister, der zu Zeiten seiner Inthronisation schon einmal als Kronprinz des schwarzen Riesen in Bonn gehandelt wurde. Frau Yzer, die zwischen juristischem Staatsexamen und Blitzkarriere in Bonn bei der Bayer AG in Leverkusen einen Zwischenstopp einlegte (was in diesem Zusammenhang durchaus einen Interpretationsansatz nahelegt), wirft sich für die Gen- und Biotechnologie ins Zeug wie zuletzt die Propagandisten der Atomenergie vor vierzig Jahren. 450 Milliarden Ecu-Wertschöpfung in der EU verspricht sie und neun Millionen Arbeitsplätze. Nebenbei die Lösung der globalen Probleme von Hunger und Umweltzerstörung. Meine Güte, Frau Yzer, geht es nicht eine Nummer kleiner?
Wir haben nur dann eine Chance, das Potential auszuschöpfen, wenn Deutschland für die „grüne“ Gentechnik ein attraktiver Markt wird, behaupten sie. Ist ja o.k., aber was bitteschön ist „grün“ an der Gentechnik? In diesen Wochen soll Deutschland ein attraktiver Markt werden für manipulierte Sojabohnen von Monsanto, später von Hoechst. Sind die „grün“, weil sie resistent sind gegen hauseigene Pestizide von Monsanto respektive Hoechst? Ist das der Kampf der Industrie gegen die chemische Keule? Wie viele Arbeitsplätze schaffen die neuen Sojabohnen hierzulande? Schmecken sie besser, halten sie länger, sind sie gesünder?
Sie verlangen eine „Kennzeichung als Qualitätsnachweis“ gentechnisch manipulierter Produkte, damit sich die Verbraucher von ihren Vorteilen überzeugen können. Prima, wir auch. Dann sorgen sie dafür, daß manipulierte und konventionell gezogene Sojabohnen und ihre 20.000 Folgeprodukte im November säuberlich getrennt auf den Markt kommen. Dann macht Kennzeichnung Sinn, dann können wir Verbraucher uns überzeugen, falls es uns überkommt. Und nur dann besteht eine Chance, die Verantwortlichen dingfest zu machen, falls der geplante Großversuch trotz aller Beschwörungen zu Komplikationen führt.
Man muß kein grundsätzlicher Gegner der Biotechnologie sein, um sich über Ihren Feldzug zu wundern. Warum, denken Sie, gibt es heute eine punktuelle Akzeptanz für Anwendungen der Gentechnik in der Medizin und bei der von ihnen so genannten „grünen“ Gentechnik nicht? Weil letztere den Beweis ihrer Sinnhaftigkeit noch nicht erbracht hat. Sie wollen den Dialog mit den Kritikern. Gut, dann schaffen Sie die Voraussetzungen. Zum Beispiel durch die (Wieder-)Einführung einer Öffentlichkeitsbeteiligung bei Freilandversuchen. Freiwillig sprechen die, die ein konkretes Projekt verfolgen, schon lange nicht mehr mit denen, die es ablehnen.
Geht es noch darum? Oder vielleicht eher darum, daß die, die heute über Zäune steigen und Äcker besetzen, morgen verfolgt werden wie die, die Rauschgift verdealen oder Waffen. Schlappe neun Millionen Mark wollen Sie 1996 lockermachen für die Förderung von Freilandversuchen. Bleibt die Frage: Was kostet der Einsatz des Bundeskriminalamts?
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