■ Ökolumne: Magie des Schwebens Von Thomas Worm
„Zeppelin is back“, titelte vor einiger Zeit ein US-Magazin. Fürwahr, die Renaissance der Zeppeline ist in vollem Gange. Nicht von den kleinen aufblasbaren Werbe- Blimps ist hier die Rede, die als Fuji- color-Tuper über der Skyline hängen. Nein, sondern von 70 oder 150 Meter langen Luftschiffen, vergleichbar der legendären „Hindenburg“, an denen jetzt zwischen Japan und Holland gearbeitet wird. Kommenden April stellt die deutsche ZLT Friedrichshafen ihren ersten LZN07 vor, einen 7.000 Kubimeter großen Zeppelin, mit Helium gefüllt, der 14 Personen bei Tempo 140 ganze 36 Stunden lang durch die Wolken tragen kann. Logenplatz am Himmel.
Nicht nur Rundflüge in Vulkankegeln und Insel- Hopping über warme Meere sind eine Domäne des alt- neuen Schwebzeugs. Auch für die Kontrolle von Fischereiabkommen, Schadstoffmessungen und atmosphärische Untersuchungen ist es bestens geeignet. An Industrieschloten könnten Luftschiffe, stundenlang stehend, die Abgase beschnuppern. Der Zeppelin schließt die Lücke zwischen Helikopter und Flugzeug. Zudem lassen sich Schwerlasttransporte über lange Distanz kostengünstig auf der Überholspur Luft abwickeln. Die Wiesbadener Cargolifter AG baut deshalb bis zur Expo 2000 ein 240 Meter langes Luftschiff, das 160 Tonnen Nutzlast mit einem Viertel des Spritverbrauchs herkömmlicher Frachtflugzeuge befördert.
Dennoch wird die Konstruktion von Luftschiffen, eine angestammt deutsche Technologie, seitens der Behörden skeptisch beäugt. Während der röhrende Transrapid mit Steuermilliarden auf seine Stelzen gehievt werden soll und Bundesforschungsminister Wissmann ihn zur Schicksalsfrage exportierbarer Ingenieurkunst hochstilisiert, fließt keine müde Mark in ein nationales Zeppelin-Luftfahrtprogramm. Dabei gäbe es beachtliche Innovationseffekte. Wie war das mit dem US-Raumfahrtprogramm und der allgegenwärtigen Teflonpfanne? Allein im Zeppelin LZN07 stecken Dutzende Patente – von der materialarmen Ultraleichtbauweise bis zur mehrfach beschichteten Flughülle. Bereits in der ersten Hälfte des Jahrhunderts war der technische „Spin-off“ der Luftschifft enorm: Entscheidende Impulse verdankt die Flugzeugkonstruktion den zahlreichen Erfindungen im Zeppelinbau.
Krönung heutiger Zeppelin-High-Tech wäre das Solarluftschiff, angetrieben allein durch Licht. Ein gleichermaßen ökologisch wie ästhetisch überzeugendes Fortbewegungsmittel. Schriftsteller wie Arthur Koestler oder der naturorientierte Architekt Richard Buckminster Fuller ließen sich schon von den dahingleitenden Giganten inspirieren, von ihrer milden Kraft des Schwebens mit seiner unverbrauchbaren Quelle: dem einfachen physikalischen Prinzip des Auftriebs.
Superleichte Folienzellen könnten großen Solarschiffen in absehbarer Zeit zum Aufstieg verhelfen. Modelle fliegen bereits mit Sonnenstrom. Binnen eines Jahres, so ist aus dem Forscherteam der Uni Stuttgart zu hören, ließen sich bei angestrengter Laborarbeit brauchbare Typen von Foliensolarzellen vorlegen. Dann wäre es nur noch ein kleiner Schritt zur Sonnenenergie vom laufenden Meter.
Aber die aufdampfbare Solarzelle für Zeppeline aus Deutschland – auch für die Oberflächen von Schiffssegeln, Zeltdächern oder Markisen bestens geeignet – läßt auf sich warten. Sechs Jahre sind für das mühselige Projekt vorgesehen, das vor allem auf private Initiativen und Sponsoren angewiesen ist.
Die Industriepolitik der Regierenden bestimmt eben selten das ökologisch Mach- und Wünschbare, sondern zuvörderst Klientelismus und eine schräge Optik. Jämmerlich, fällt doch den phantasielosen Subventionsexperten hierzulande zum Thema „Flugverkehr“ außer dem Airbus nur der Airbus ein.
Der still schwebende Riese der Zukunft hat sanfte, konische Formen. Will heißen: Das andere Industrieleitbild, das nicht auf Lautstärke, Hochgeschwindigkeit und Naturverbrauch setzt, ist ja vorhanden: Eine Bewegung zur Erdverträglichkeit muß es nur besetzen. Wie nannte sich das doch gleich in bewährter Rockpoesie bei Led Zeppelin? Stairways to Heaven ...
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