■ Ökolummne: Wieviel Geld verträgt Natur? Von Hans Immler
Der Schöpfer dieser Erde, wer immer er gewesen sein mag, hat vom Gesichtspunkt der Ökonomie drei schwere Fehler begangen. Erstens hat er die Evolution viel zu reich ausgestattet. Die Ökonomen können nur mit Knappheit umgehen. Den Reichtum der Natur verstehen sie nicht. Deshalb kommt es zu der verhängnisvollen Annahme der Ökonomie, der Reichtum der Natur sei unendlich groß. Dies ist eine Aufforderung zu ihrer Verschwendung. Die Resultate sind bekannt. Zweitens sollte die Natur zu Eigentum gemacht werden können. Sie ist aber von ihrem Wesen her nicht stückelbar und somit nicht eigentumsfähig. Sie ist dies nur in Teilen, beispielsweise als Grundstück. Zentner Kohle oder Liter Milch. Ein bestimmtes Ökosystem, ein biologisches Gesetz oder Krankheiten können dagegen weniger oder gar nicht zum Eigentum werden. Die Marktökonomie hat damit grundsätzliche Schwierigkeiten. Sie versteht nicht, daß da etwas ist, was niemandem gehört. Nur mit Hilfskonstruktionen ist sie in der Lage, mit der Natur, die nicht eigentumsfähig ist, rational zu wirtschaften. Würden alle Stücke, aus der die Erde und die Evolution zusammengesetzt sind, zu Eigentum gemacht werden können, gäbe es kein Umweltproblem. Diesem Traum gehen die Ökonomen immer noch nach. Die Natur erfüllt ihn aber nicht. Man wird mit ihr niemals klug umgehen können, wenn man sie nur über Eigentum begreifen will.
Drittens hat der Schöpfer bzw. die Schöpferin vergessen, jedes Naturprodukt mit einem Preisschild zu versehen. Diese Sünde wiegt ökonomisch am schwersten. Jede Arbeitsleistung und jedes Kaufgeschäft hat seinen Preis. Damit können die Ökonomen umgehen. Was aber sollen sie machen, wenn wertvolle Dinge nichts kosten? Kosten sie wirklich nichts? Die Umweltökonomen haben zur Zeit vor allem die Aufgabe, die wirklichen Kosten nachträglich auszurechnen. Beispiel Ökosteuer. Aber schon jetzt läßt sich sagen, daß der Expertenstreit über die richtige Bewertung der Natur zu keinem guten Ergebnis führt. Alles wäre durch Preisschilder von Anfang an vermeidbar gewesen.
Es ist ein verdammt schwieriges Verhältnis, das von Geld und Natur. Vielleicht suchen wir aber auch die Lösung an der falschen Stelle. Bisher meinen wir, die Faktoren Arbeit und/oder Kapital wären die Quellen von Wert und Geld. Wenn man aber eine Forelle verspeist, will nicht einleuchten, daß Angelhaken und Bratpfanne die Wertquellen sein wollen. Wenn der König von Arabien ein reicher Mann ist, dann nur, weil eine Laune der Natur ihm eine Riesenpfütze Öl in den Sand gesetzt hat. Es erscheint absurd, den Bohrturm und die Ölarbeiter als Wertquelle zu betrachten, die Natur dagegen als pure Voraussetzung. Man muß die Sache herumdrehen. Die Natur ist die Wertproduzentin, dagegen sind Kapital und Arbeit die Kosten, um die Werte zu gewinnen.
Ökologische Ökonomie und Politik müssen sich logischerweise eine Niederlage nach der anderen einhandeln, solange sie die Wertproduzentin Natur nicht zum Kern ihres Interesses machen. Wenn nämlich als Wertproduzenten alle möglichen Faktoren, nur nicht die Natur, betrachtet werden, ist es nur logisch, daß wirtschaftlich fortschrittlich zu sein scheint, was Natur vernichtet. Deshalb kommt es zur Paradoxie, daß man in ökonomisch schlechten Zeiten meint, ökologische Aufgaben zurückstellen zu müssen.
Ich wage eine Prognose: Aller ökologisch guter Wille führt immer wieder in Sackgassen, solange die Natur nicht als Substanz der Werke anerkannt, solange in jedem Geldschein nicht der Wert der Natur anerkannt wird. Die Natur produziert das Sozialprodukt, die Unternehmensgewinne, unsere Einkommen, unsere Zukunft. Die Faktoren Arbeit und Kapital können diesen Prozeß nur managen. Gut oder schlecht. Wenn man dies als Grundlage der Ökonomie nimmt, hat nicht der Schöpfer drei große Fehler, sondern die Ökonomen haben einen einzigen Riesenfehler gemacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen