Ökologischer Kirchentag: Ökostrom und Umwelttraining
125.000 Besucher sind beim 2. Ökumenischen Kirchentag. Doch ist die Klimabilanz verheerend oder ökologisch - wie klimafreundlich ist die Massenveranstaltung?
MÜNCHEN taz | „Jetzt mit McDonalds-Gutscheinen“, so wirbt eine Gruppe junger Helfer für die Zeitung des 2. Ökumenischen Kirchentags (ÖKT) an diesem verregneten Veranstaltungsmorgen. Aber nein, Fastfood sucht man an den unzähligen Essbuden vergebens.
Dagegen gibt es Bio-Ochsenfetzen, Öko-Kartoffelspalten und natürlich Fair-Trade-Kaffee. „Verpflegung ist ein wichtiges Thema“, sagt Dr. Martin Stauch, Geschäftsführer des 2. ÖKT, „Wir versuchen so gut es geht ökofair umzusetzen, regionale und biologische Produkte anzubieten, da wo es möglich ist, auch fair gehandelt.“
In Halle A3 ist das Zentrum für Umwelt- und Ressourcen angesiedelt. Hier kann der kleine Christ in dreckiger Erde wühlen und der große Klimazettelchen abreißen, was er sinnvolles für die Umwelt tun würde. Vom Podium hallen Klimadiskussionen, die Zuhörer sitzen auf Papphockern: „Wie Ihnen vielleicht aufgefallen ist, wir schwitzen nicht“, verkündet Moderatorin Dr. Susanne Dröge von der Bühne. Manch einer guckt verschreckt. Wenige haben die Anspielung auf den klimafreundlichen ÖKT bemerkt.
Riesige Scheinwerfer und Strahler gibt es auf allen Podien rund um den Ökumenischen Kirchentag. Nicht in jeder, aber in Halle A3 „brennen“ stromsparende Leuchten, klimafreundliche LEDs auf die Protagonisten und hüllen sie in steriles Weiß. Mehr Licht, weniger Wärme. Dann sollte es auch Ökostrom sein. Den verwendet die Geschäftsstelle, jedoch nicht der gesamte ÖKT.
„Man versucht bei den meisten Stellen Ökostrom zu verwenden. Die Geschäftsstelle tut das, meines Wissens verwenden wir auch in der Messe Ökostrom, wenn es irgendwie geht. Was wir nicht machen können: Wenn eine Kirchengemeinde an einem anderen Veranstaltungsort ist, dann müssen wir den Strom nehmen, der dort vorzufinden ist. Wir können versuchen Einfluss drauf zu nehmen, aber müssen uns den örtlichen Gegebenheiten anpassen.“
Ökostrom, Recyclingpapier, fair gehandelter Kaffee und Kekse. Müll wird sauber getrennt und davon gibt es viel. Dazu Mehrweggeschirr und Umwelttraining im Vorfeld für die Mitarbeiter: Wie benutze ich die Elektroleiste und wie gehe ich ökologisch mit dem Kopierer um. Klingt lapidar, aber Stauch betont: „Das ist eben die Basisarbeit, man muss es Einzelnen beibringen und auch immer wieder wiederholen.“
Ein Umweltcontrolling mit detailliertem Handbuch soll nach dem Kirchentag zeigen, was fehlt, wo noch klimafreundlicher gewerkelt werden kann.
Was sich nicht verhindern lässt sind die Emissionen durch An- und Abreise von 125.000 Kirchentagspilgern. Der 2. ÖKT hat dafür auf seiner Homepage einen Klimakompensationsrechner eingerichtet. Fahrtkilometer und Verkehrsmittel eingeben und sofort wird einem CO² in Kilogramm ausgespuckt und ein Eurobetrag. Bei einer An- und Abreise von insgesamt 1.000 Kilometern mit der Bahn sind das 75 Kilogramm und 7,50 Euro. Mit dem Flugzeug viermal so viel.
Also 7,50 Euro und meine ökologische Schuld ist getilgt? Klingt nach Klima-Ablasshandel. „Natürlich soll es nicht Ziel sein, sich damit das Gewissen reinzukaufen“, erklärt Stauch, „Man soll das Bewusstsein schärfen und das Gute daran ist eben, dass man es messen kann. Sie können genau sagen, wie viel ihr Beitrag zur Luftverschmutzung beträgt, damit Handel betreiben und führen es praktisch in den Wirtschaftskreislauf ein.“
Mit diesem monetären System werden zwei Aufforstungsprojekte in Südamerika finanziert. Innerhalb eines Jahres könnten die Reiseemissionen, die durch den 2. ÖKT angefallen sind, kompensiert werden. Ob und wie dieses Angebot angenommen wird, darüber hat Stauch noch keine Zahlen.
Papierverbrauch und Abwasserverbrauch, auch das wird im Nachhinein für künftige Kirchentage ermittelt, „um sich wirklich daran zu messen und zu sagen, da wollen wir noch besser werden. Bei Papier geht’s kaum noch besser. Wir sind bei 95 Prozent Recyclingpapier und davon 80 Prozent Blauer Engel. Das sind so Sachen, da geht fast nichts mehr, aber bei anderen Bereichen sicherlich.“
Ein Bereich wäre das Pressezentrum. Bis auf diesen Bereich hat man beim ÖKT versucht, darauf zu verzichten. Auch zu den Projektkomissionssitzungen im Vorfeld des Kirchentags lässt es sich nach Strauch, trotz Leitlinien, nicht verhindern, dass Mitglieder mit dem Flugzeug anreisen. Und für zukünftige Kirchentage immer höher, weiter und klimafreundlicher? „Ich denke, dass muss immer Ziel bleiben. Es soll nicht die Jagd nach Emissionen sein. Der größte Umweltschutz wäre natürlich, nicht zum ÖKT zu fahren, das wäre auch nicht gewollt. Es soll natürlich schon ein Leben geben, aber natürlich bewusst.“
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