: Öko-Stromer sorgt Fusionitis
Fusionsfieber auf den Energiemärkten: Als Gegenmittel zu steigender Konzernmacht fordern regenerative Stromerzeuger größere Netz-Unabhängigkeit
BERLIN taz ■ Die geplanten Großfusionen europäischer Versorger bedrohen nach Einschätzung der Öko-Strom-Branche die zukünftige Entwicklung der erneuerbaren Energien. „Das ist eine ganz gefährliche Tendenz“, sagte der Präsident des Bundesverbandes Erneuerbarer Energien (BEE), Johannes Lackmann, gestern der taz. Theoretisch böte ein Markt, der von wenigen großen Unternehmen dominiert würde, zwar Chancen für flexible kleinere Stromerzeuger. Faktisch würde aber die Kontrolle der großen Versorger über die Transportnetze den Wettbewerb verhindern. „Diese Kontrolle wird durch die Fusionen in der Tendenz verstärkt“, sagte Lackmann.
Noch sind die angestrebten gernzüberschreitenden Zusammenschlüsse auf dem europäischen Energiemarkt allerdings nur Theorie und stoßen auf nationale Vorbehalte. Die deutsche Eon will den spanischen Versorger Endesa übernehmen, muss sich aber wohl auf ein Bietergefecht mit der ebenfalls spanischen Gas Natural einstellen. Die wollte gestern ein entsprechendes Angebot vorlegen. Die spanische Regierung hatte sich mit blick auf die Eon-Offerte bislang zurückhaltend geäußert. Und auch die italienischen Enel, die den französischen Suez-Konzern übernehmen will, stößt auf Widerstand. Suez will stattdessen mit der Gaz de France zusammengehen. Nun will Italien die EU einschalten. Man werde „alle nötigen Schritte“ einleiten, erklärte der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi.
In diesen politischen Debatten zeige sich der „Widerspruch zwischen der Öffnung des europäischen Marktes und nationaler Energiepolitik“, sagte Wolfgang Pfaffenberger, Leiter des Bremer-Energie-Instituts der taz. In Frankreich seien die Strukturen der Energieunternehmen eher mit dem öffentlichen Dienst vergleichbar. In Spanien spiele die indirekte Subventionierung der Industrie durch billigen Strom ein wichtige Rolle. „Wenn ein Unternehmen international tätig ist, wird es darauf aber weniger Rücksicht nehmen. Der Markt ist der Maßstab seines Handelns“, erklärt Pfaffenberger den Widerstand. Dennoch dürfte der Fusionsprozess nicht mehr zu stoppen sein, die EU-Kommission hat gestern bereits angekündigt, gegen Frankreichs rigide Gesetze vorzugehen. Für die erneuerbaren Energien sieht Pfaffenberger in den neuen Konstellationen im Gegensatz zu Lackmann keinen zusätzlichen Druck. „Sie sind durch gesetzliche Regelung geschützt und meist in Nischen aktiv.“ Sollte durch die Fortführung des Kioto-Prozesses der Preis für CO2-Emissionen weiter steigen, werde es möglicherweise auch für die große Konzerne interessant, stärker in erneuerbare Energien zu investieren. „Es geht dabei aber weniger um Marktmacht als um die Frage von politischen Rahmenbedingungen.“
Lackmann fordert in diesem Zusammenhang eine stärkere Trennung von Netzbetreibern und Stromproduzenten. So habe zum Beispiel Dänemark seine Netze verstaatlicht. „Ein unabhängiger Netzbetreiber hätte an jedem Produzenten Interesse, der Strom durchleitet.“
STEPHAN KOSCH