Öde Orte beleben

Künstlerinitiative KX, HfbK-Studenten, Kunsthandwerker und Designer beziehen Ausstellungsräume und Ateliers in der City Nord: „Kunstzentrum Ebene + 14“ soll tadtteil-Image aufpeppen

von PETRA SCHELLEN

Künstler als Feuerwehr? Immerhin noch besser, als gar nicht beachtet zu werden? So manche Chance, die eine Pragmatiker-Stadt wie Hamburg der – meist weniger betuchten – freien Kunstszene bietet, birgt ihre Schatten. Denn schwer fällt es, günstig zu mietende Räume auszuschlagen, noch schwerer, das Angebot konkret stadtplanerischer Gestaltung zurückzuweisen: Ausstellungs- und Atelierräume im Mexikoring in der City Nord beziehen heute und morgen die Künstlerinitiative KX, Studenten des Fachbereichs Gestaltung um Professor Michael Lingner von der HfbK sowie etliche weitere Künstler und Designer, die den Stadtteil, in dem 24.000 Menschen abeiten, beleben sollen. Der Name des Projekts: Ebene +14 – weil das Gelände alten Plänen zufolge 14 Meter über Normal null liegt.

Überregional bedeutsame Kunst-Events sollen dort stattfinden; erklärtes Ziel der Eigentümer-Interessengemeinschaft ist eine Image-Verbesserung der City Nord. Denn nur rund 500 Wohnungen gibt es in dem öden Arbeitsareal. Abends ist es dort mauseleer – und das möchte das seit langem mäzenatisch wirkende Ehepaar Greve, das 2002 einen Teil der Mexikoring-Passage erwarb, ändern: Ausstellungen, Video- und Performance-Aktionen sollen dort künftig neben after work clubs und einer Sommer-Lounge die Arbeitnehmer verleiten, mehr als die bisherigen 22,2 Minuten ihrer Freizeit dort zu verbringen; die Koordination haben Nasim Weiler und Julia Sökeland von der art agents gallery übernommen.

„Natürlich ist das Problem nicht neu“, sagt Julia Sökeland. „Aber erst mit dem Engagement der Greves ist hier etwas in Bewegung gekommen.“ Den Hintergrund der Aktitvitäten bildet eine Studie der Eigentümer-Interessengemeinschaft, aus der die Desiderate klar hervorgehen: 82 Prozent der Befragten wünschen Vor-Ort-Aktivitäten im Anschluss an die Arbeitszeit, die deutlich über die derzeitigen Fitness-Angebote hinausreichen.

Sünden der Vergangenheit sind es also, die die Künstler jetzt gutmachen sollen. Warum eigentlich hat man sie nicht gleich gefragt, und warum tut man dies beim Bau der Hafencity wieder nur marginal? Brauchen Stadtplaner stets Dekaden, um zu merken, dass sie blutleere Gebilde in die Landschaft gebockt haben? „Die Attraktivität des Stadtteils liegt den Firmen schon am Herzen“, berichtet Julia Sökeland. „Und ich hoffe, dass sie auch bereit sind, Freizeitangebote für die Mitarbeiter mitzufinanzieren. Immerhin grassiert schon der Wunsch, gerade in Konkurrenz zur Hafencity ein attraktiveres Arbeitsumfeld zu schaffen“, sagt die Galeristin, die keine Bedenken hat, junge Kunst, wie sie KX – bis Juli 2002 ansässig auf Kampnagel – produziert, anzubieten; schließlich wird es auch Lesungen, eine Klassik-Lounge und DJ-Abende geben.

Dass dies eine Anlaufphase erfordert, ist klar, zumal die Künstler mit der City-Nord-Bevölkerung ins Gespräch kommen sollen. Denn vielleicht, so hoffen die Initiatoren, erzeugt dies Verbundenheit mit einem Ort, dessen Bauten eher durch ihre Zahl als durch Mangel an Ästhetik bedrücken.

Ortsidentität ist auch Thema der Ausstellung Doppelter Boden mit Fotos von Bernhard Timmermann, Natascha Töpp, Maike Klein und Manit Sriwanichpoom: Sie alle verhandeln die Frage nach der Individualität von Orten und laden zum Austausch über das Arbeitsumfeld ein. Vielleicht auch zur Diskussion der Frage, ob Ortsverbundenheit erarbeitbar ist und wie weit solche Kategorien emotional besetzt sind. So emotional wie die weltläufigen Straßennamen der City Nord, die die Gefangenschaft in architektonischer Funktionalität umso zynischer offenbaren.

Eröffnung heute, Mexikoring 6-11. 16 Uhr: Johan Lorbeer: Performance Tarzan / Standbein. 16-21 Uhr: The Better Days Project, D-Jane Pingpong. 17 Uhr: Viktoria Meienburg liest aus Alessandro Bariccos Land aus Glas. 18 Uhr: Showcase Beat Le Mot: Performance Blindenfußball Europameisterschaft. Umzug von KX in die City Nord samt Pro-Horáková-Demo: morgen, 18.30 Uhr ab Kampnagel