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Archiv-Artikel

ÖSTERREICH IST REIF FÜR EINE PRÄSIDENTIN – ABER NICHT FÜR DIESE Zu seicht und zu unbedarft

Österreich ist reif für eine Frau an der Spitze des Staates – leider stand gestern die falsche Kandidatin zur Wahl. Benita Ferrero-Waldner hat den größeren Teil der Frauenstimmen bekommen – aber nicht genug. Auch ihre Geschlechtsgenossinnen konnten nicht überzeugt werden, dass allein Frausein einen Vertrauensvorschuss verdient. Zumal Ferrero-Waldner für ein traditionelles Rollenverständnis steht und in Staats- und Verfassungsfragen weniger Erfahrung besitzt als ihr männlicher Konkurrent. Die Diplomatin aus Salzburg wird als zu seicht und politisch zu unbedarft empfunden.

Und dann ist da noch der unpopuläre Spar- und Sanierungskurs der Regierung, den die Kandidatin wie eine Bleiweste umgehängt bekam. Der Wahlkampf, in dem anfangs beide Kandidaten versuchten, sich möglichst unabhängig zu geben – Benita Ferrero-Waldner ließ sich gar von einem Personenkomitee nominieren, bevor die ÖVP sie offiziell zu ihrer Kandidatin machte –, ist zuletzt doch zu einem Lagerwahlkampf geworden: Hie die Kandidatin der Regierungskoalition, da der Mann der Opposition. Denn Freiheitliche und Grüne hielten sich zwar daran, keine Wahlempfehlung als Partei abzugeben, doch waren die Präferenzen der jeweiligen Spitzenpolitiker mehr als deutlich. Ferreros Schmusekurs mit Jörg Haider ist einer der Gründe, warum ihre Aufholjagd sie zwar näher an den Favoriten heran-, aber nie auf die Überholspur führte. Während Fischer sich deutlich von NS-Nostalgie und Rechtspopulismus abgrenzte und damit zwar allfällige Sympathisanten in der FPÖ vergraulte, aber unentschlossene Grüne auf seine Seite gezogen haben dürfte, blieb die Außenministerin in ihren Erklärungen zu diesem Thema ausweichend und ohne klare Konturen. Das kostet Stimmen.

Ferreros Team führte den professionelleren und einfallsreicheren Wahlkampf, doch Originalität ist in der Hofburg wenig gefragt. Die Österreicherinnen und Österreicher wollen in den ehemaligen Kaiserappartements jemanden sitzen haben, der berechenbar und solide ist. So ein Mann ist Heinz Fischer: etwas langweilig in seiner Außenwirkung, aber zuverlässig. RALF LEONHARD