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Archiv-Artikel

ÖL/SAUBERE ENERGIE Terrorsichere Windräder

Sollten irgendwelche Weltenbeglücker sich dazu entschließen, einen Windpark mit Sprengstoff anzugreifen, wäre ihnen der Spott sicher. Vier Windräder bei Husum zerstört, die Selbstmordautos geschreddert, tiefe Löcher im Acker. So geht das nicht, kein militanter Islamist würde sein Leben im Kampf gegen Windmühlen opfern. Die erneuerbaren Energien eignen sich nicht als Objekte für Anschläge und Geiselnahmen wie etwa die jüngste in Saudi-Arabien. Jedenfalls nicht mit dem Ziel, die energetische Achillesverse der westlichen Welt zu treffen. Das unterscheidet Wind, Sonne und Dung von Ölpipelines, Tankerterminals und Atomkraftwerken.

KOMMENTARVON HANNES KOCH

Während im Krieg ums Öl täglich Soldaten und Zivilisten sterben, treffen sich ab heute Delegationen aus 103 Staaten zur Konferenz „renewables 2004“ in Bonn, um die erneuerbare Energie voranzubringen. Die aktuellen Ereignisse im Mittleren Osten zeigen einen entscheidenden Vorteil der neuen Energien: Ihre Netzwerktechnologie beruht viel stärker auf dezentraler Produktion und Verteilung als die der Öl- und Atomindustrien. Deren Merkmale sind zentrale Strukturen, die gerade wegen ihrer Konzentration lohnende Angriffsziele darstellen.

So drehen sich schon heute hunderttausende, in Zukunft wohl Millionen Windrotoren auf den fünf Kontinenten, aber nur ein paar Dutzend relevanter Ölleitungen, Verladehäfen und riesige Lager wie in Rotterdam bilden das Rückgrat der fossilen Energienutzung. Die Sabotage von drei, vier Verladestationen am Persischen Golf kann die Versorgung mit Öl empfindlich treffen. Das lässt sich auch nicht ändern: Während die Ölressourcen auf wenige Staaten begrenzt sind, weht der Wind und scheint die Sonne fast überall.

Wie jede andere Technik aber können auch die erneuerbaren Energien Nachteile bringen. Im schlechtesten Fall sind riesige Wasserstaudämme ebenso als Objekte des Terrors geeignet wie Atomkraftwerke. Weil außerdem das Geld für die milliardenteuren Investitionen in ergiebige Wind- und Photovoltaikparks aus den reichen Staaten des Nordens kommt, wird die asymmetrische Verteilung von Macht und Wohlstand auf neuer Ebene reproduziert. Der entscheidende Unterschied aber bleibt: Weil der einzelne, dezentral aufgebaute Propeller vergleichsweise billig ist, können sich viel mehr Menschen ein Windrad leisten als eine Ölraffinerie.

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